Vom unstillbaren Drang, mehr sein zu wollen, als man ist
Warum täuschen Manager und Politiker immer öfter akademische Würden vor? Vielleicht, weil alle zu selten die Person in ihnen sehen.
Der Chef des bekannten Kofferherstellers Samsonite ist zurückgetreten. Ramesh Tainwala trat nicht ab, weil es dem von ihm geführten Unternehmen so schlecht geht. Nein, Tainwala tritt ab, weil er den Doktortitel einer obendrein nicht besonders renommierten US-Universität führte, den er aber gar nicht erworben hat. Auf gut Wienerisch gesagt, könnte man versucht sein, Herrn Tainwala als Koffer zu titulieren. Warum ist jemand so dumm, seine Karriere zu zerstören, nur um als Doktor zu gelten?
Dass er nicht nur bei seinem Lebenslauf trickste, sondern ein Aktionär dem Konzern zudem Bilanztricks vorhält, spielte bei der Entscheidung mit, tut aber hier nichts zur Sache. Es geht darum, dass der Samsonite-Manager nicht der erste und nicht der letzte Manager ist, der sich mit fremden Federn schmückt. Und um die Frage, warum Manager das tun.
Der frühere Yahoo-Chef Scott Thompson musste gehen, weil er sich mit einem Abschluss in Computerwissenschaften brüstete, den er nie erworben hatte. Beim Schweizer Pharmakonzern Novartis wurde erst vor wenigen Wochen bekannt, dass ausgerechnet die für Ethik, Risiko und Compliance verantwortliche Managerin fälschlicherweise angab, einen Doktortitel in Rechtswissenschaft zu besitzen.
Aus der Politik kennt man das Phänomen spätestens seit Karl-Theodor zu Guttenberg nur zu gut. Der einstige deutsche Wirtschaftsminister führte den Doktortitel, bis öffentlich wurde, dass er ihn sich durch Abschreiben erschwindelt hatte. Und auch im Lebenslauf des designierten Ministerpräsidenten von Italien, Giuseppe Conte, finden sich zumindest grob irreführende Angaben über Aufenthalte an ausländischen Universitäten. Man kann einwenden, dass ein getürkter Lebenslauf des Regierungschefs noch Italiens geringstes Problem ist, dennoch ist in den Führungsetagen von Wirtschaft und Politik ein Muster erkennbar.
Getrieben vom offenbar unstillbaren Drang, mehr sein zu wollen, als man ist, streben viele nach einem Etikett, mit dem man der Welt beweisen kann, was man aus sich gemacht hat. Nichts gegen akademische Weihen, und nichts dafür, sie sich zu erschleichen. Aber den Menschen macht nicht aus, ob er ein Studium absolviert oder man ihm ehrenhalber einen Titel angeheftet hat. Entscheidend ist der Charakter einer Person – im Privaten wie im Beruflichen.
In Österreich löst man das Problem anders. Hier mutiert beinahe jeder Inhaber einer weiter oben angesiedelten Position, bei dem man nicht sicher ist, ob er neben dem Amt auch akademische Würden trägt, taxfrei zum Professor, manchmal übrigens auch zum Doktor. Das tut dem Titulierten gut, ist rechtlich unbedenklich und ersetzt bei uns oft sogar den Namen. Aber die sind ja bekanntlich Schall und Rauch.