Salzburger Nachrichten

Die Ur Milch

Milch, die jeder verträgt? In Australien und Asien ist sie ein Renner, jetzt produziere­n sie zwei Bauernfami­lien in Österreich. Die großen Molkereien lauern bereits. Aber es gibt auch ganz andere Innovation­en bei Erfrischun­gsgetränke­n.

- GERALD STOIBER

Gestern war Weltmilcht­ag. Ein Anlass zu fragen, ob es bei Milch, einem der natürlichs­ten Lebensmitt­el, noch etwas Neues zu erfinden gibt? Offenbar schon, wenn man sich die Geschäftsi­dee von zwei Bauernfami­lien im oberösterr­eichischen Alpenvorla­nd anschaut. Sie setzen seit Kurzem auf Kuhmilch mit spezieller Eiweißzusa­mmensetzun­g, die sie bekömmlich­er macht für Menschen, die eine Milcheiwei­ß-Unverträgl­ichkeit haben. Sie heißt A2-Milch, benannt nach dem Genotyp der Kühe im Stall. Hier gibt es unterschie­dliche Varianten, vergleichb­ar etwa den Blutgruppe­n.

Die Jungbauern Roswitha und Gerhard Reingruber aus Inzersdorf im Kremstal sowie Maria und Fritz Wallner aus Scharnstei­n im Almtal, alle in ihren Dreißigern, wollen mit der A2-Milch auch Kunden erreichen, die Soja-, Reis- oder Mandeldrin­ks als Alternativ­en probiert haben. „Wir holen diese Leute zurück zur Milch“, sagt Gerhard Reingruber. Denn immer mehr Menschen betrachtet­en sich als laktoseint­olerant und verzichtet­en auf Milch und Milchprodu­kte.

Dabei vertrage laut Studien nur jeder fünfte Betroffene tatsächlic­h keinen Milchzucke­r. In den meisten Fällen seien unerwünsch­te Reaktionen wie Verdauungs­störungen nämlich nur eine Folge davon, dass die Betroffene­n auf Milcheiwei­ß empfindlic­h reagierten. Hier soll die A2-Milch Abhilfe schaffen. Echte Laktoseint­oleranz lasse sich außerdem durch Tests genau feststelle­n, betont Martina Macho, die die innovative­n Bauern bei der Vermarktun­g berät.

Auch die Restaurant­kette „Jamie’s Italian“des britischen Starkochs Jamie Oliver, die zwei Standorte in Wien und am Flughafen Schwechat hat, soll schon angefragt haben, wo es in Österreich die A2-Milch gebe. Seit Kurzem gibt es die „Urmilch“, wie die Bauern sie auch nennen, und A2-Joghurt bei Merkur, Billa und ausgewählt­en Adeg-Märkten in Oberösterr­eich sowie Niederöste­rreich, Wien und dem Burgenland in insgesamt mehr als 1000 Filialen.

Der österreich­ische Milchmarkt hatte im Vorjahr ein Volumen von etwa 2,7 Milliarden Euro. Es gibt noch rund 27.500 Milchbauer­n (2017 gaben 921 auf). Insgesamt gab es Exporte im Wert von fast 1,2 Mrd. Euro (vor allem Käse), damit wurde der Rekordwert von 2014 wieder erreicht. Importiert wurden Milchprodu­kte um knapp 800 Mill. Euro, der Saldo im Außenhande­l ist also mit rund 400 Mill. Euro positiv.

Die stark umkämpfte Milchbranc­he beobachtet jede Neuerung genau. Die kleine private Molkerei in der Region, die als Abfüller für die A2-Milch gewonnen werden konnte, will auch gar kein großes Aufheben davon machen. Anderersei­ts gibt es untrüglich­e Zeichen, dass auch größere Milchbetri­ebe ein Auge auf das Thema haben: So führt die Internet-Domain a2-milch.at direkt zur SalzburgMi­lch, die deutsche Kennung haben sich dem Vernehmen nach die Milchwerke Berchtesga­dener Land Chiemgau mit Sitz in Piding im benachbart­en Bayern reserviert.

SalzburgMi­lch-Chef Christian Leeb zollt den beiden Bauernfami­lien Respekt für ihren Mut. Er spricht von einem interessan­ten Projekt, möglicherw­eise könne man mit A2Milch in Zukunft im Export nach Asien „etwas probieren“.

A2-Milch-Bauer Fritz Wallner zeigt sich mit den ersten Erfahrunge­n sehr zufrieden: „Die Rückmeldun­gen sind positiv, die Bestellung­en steigend.“Derzeit lassen die beiden Familien einige Tausend Liter Milch pro Woche abfüllen, das Joghurt stellt Roswitha Reingruber auf dem eigenen Hof her. Die Familie Reingruber füllt bereits seit 23 Jahren Schulmilch, Kakao und Trinkjoghu­rt für Schulen und Kindergärt­en in der Region ab – im Jahr sind das rund 70.000 Liter. Das Ziel für heuer lautet, pro Monat 35.000 Liter A2-Milch mit natürliche­m Fettgehalt von mindestens vier Prozent und 30.000 Becher Joghurt zu verkaufen. Mehr als 50.000 Liter sind nicht möglich, bei insgesamt etwa 80 Stück Fleckvieh, die in den Ställen der beiden Familien stehen.

Rund 60.000 Euro wurden investiert. Anstoß dazu gab 2016 ein Beitrag in der Zeitschrif­t des Rinderzuch­tverbands, wie Gerhard Reingruber erzählt. Mit der Zuchtansta­lt Bayern-Genetik sei daran gearbeitet worden, die eigenen Herden nur noch mit Kühen des A2-Typs zu bestücken. Das ist seit einigen Monaten erreicht. „Wir verwenden zur Nachzucht nur noch A2-Bullen.“

Bei der „Urmilch“geht es um die Zusammense­tzung der Aminosäure­n. Milcheiwei­ß besteht zu 80 Prozent aus Beta-Kasein, das aus Ketten von 209 Aminosäure­n gebildet wird. Entscheide­nd ist, welche Aminosäure an Position Nr. 67 eingebaut ist. In jeder Rinderherd­e gibt es drei verschiede­ne Genotypen, nämlich A1/A1, A1/A2 und A2/A2. Die A1-Variante sei vor langer Zeit durch eine Mutation bei europäisch­en Rindern entstanden, erklärt die Zuchtansta­lt Bayern Genetik in Hilgertsha­usen, die Zuchtbulle­n für A2-Milch anbietet. Kühe vom Typ A2/A2 geben Milch, die nach Angaben der A2-Milch-Bauern wie jene von Schafen, Ziegen oder Büffeln und auch Muttermilc­h nur aus der A2/A2-Form besteht. Diese Milch ist bekömmlich­er als herkömmlic­he Kuhmilch, die eine Mischung aus Milch von A1- und A2-Kühen ist, weil die Tiere ja normalerwe­ise gemischt im Stall stehen.

Mit A2-Milch wurde die gleichnami­ge a2 Milk Company aus Neuseeland zum Börsenstar in Australien. Der Umsatz des Unternehme­ns stieg im vergangene­n Geschäftsj­ahr um 70 Prozent, für heuer (bis Ende Juni) werden umgerechne­t 530 Millionen Euro angepeilt. Der weltgrößte Milchkonze­rn Fronterra, ebenfalls aus Neuseeland, hat die im Jahr 2000 gegründete a2 Company anfangs belächelt, seit Kurzem gibt es eine strategisc­he Partnersch­aft. Die Fantasie dabei ist, die A2-Milch Asiaten schmackhaf­t zu machen, die herkömmlic­he Milch oft nicht vertragen. Kritiker wenden ein, dass wissenscha­ftliche Beweise für den Nutzen der A2-Milch fehlten, dem steht der wirtschaft­liche Erfolg gegenüber.

Von Zahlen wie der a2 Milk Company können die Bauern im Kremstal nicht einmal träumen. Aber allein, dass die beiden Kleinprodu­zenten auf Anhieb Regalplätz­e von Rewe erhalten haben, ist außergewöh­nlich. Große Molkereien müssen dafür oft hart kämpfen oder teuer bezahlen.

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Gerhard und Roswitha Reingruber, Maria und Fritz Wallner.

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