Der Schweiz
sen für das theoretische Wissen. „Am wichtigsten ist aber die Praxis der Herdenführung, die von erfahrenen Hirten weitergegeben wird. In der Schweiz gibt es auch noch Hirten, die das hauptberuflich machen. Vor allem in Graubünden, wo die Landwirtschaft einen hohen Stellenwert hat.“Es dauere Jahre, bis man sich das Wissen angeeignet habe. „Man fängt normalerweise als Rinderhirte an und wird später Schafhirte. So war es auch bei mir.“
Für die Schweizer Schafhirten dauert der Sommer vier bis sechs Monate. „Heuer bin ich in Innerferrera“, sagt Brandtner. Der Weiler auf 1500 Metern Seehöhe hat nur mehr etwa 40 Einwohner. Das Calanda-Gebirge bei Chur, in dem sich das erste Wolfsrudel der Schweiz gebildet hat, das auch Nutztiere gerissen hat und sich Siedlungen näherte, liegt etwa 50 Kilometer entfernt. Der Pinzgauer hütet jedes Jahr 600 bis 800 Schafe, die sechs bis zehn verschiedenen Bauern gehören. „Seit der Wolf in der Schweiz zurück ist, geht die Tendenz zu großen Herden. Sonst rentiert sich der Herdenschutz nicht.“Die Tiere von unterschiedlichen Landwirten zusammenzuhalten sei für einen ausgebildeten Hirten kein Problem, sagt er. Unterstützung bekommt Brandtner dabei von einem Hütehund, der 8000 bis 10.000 Euro kostet. Herdenschutzhunde hat er nicht.
„ Im Mai starten wir im Dorfbereich. Die Schafe fressen die unproduktiven Flächen ab, bei denen sich das Mähen nicht lohnt. Die Flächen sind festgelegt“, sagt Brandtner. „Die Akzeptanz für diese Kultur ist in Graubünden sehr hoch. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich in Salzburg mit 800 Schafen durch ein Dorf ziehe.“Mit der Vegetation wandern der Hirte und seine Herde in die Höhe, bis sie im Juli 3000 Meter Seehöhe erreichen.
Herdenschutzhunde ohne Hirten funktionieren in dieser Höhe nicht, ist Brandtner überzeugt. „Das geht vielleicht im Pferch in Hofnähe. Aber im alpinen Bereich kann zu jeder Jahreszeit Schnee fallen. Die Hunde brauchen Anleitung und jemand muss sie füttern und auf Verletzungen kontrollieren.“Insgesamt würden die Schutzhunde dem Hirten mehr Arbeit machen, als sie ihm abnehmen.
Der Grund, warum in Österreich die Behirtung fast unbekannt ist, ist für den Loferer klar: „Wenn ich will, dass das System funktioniert, muss ich zahlen.“In der Schweiz gibt es einen Kollektivvertrag für Hirten. Man verdient etwa 3500 Franken netto im Monat. Bezahlt werden die Hirten von den Bauern, die das Geld zu 100 Prozent vom Bund erhalten. Da der Hirte keine Ausgaben hat, ist die Arbeit durchaus lukrativ. Brandtner machte sie neben seinem Studium an der Universität für Bodenkultur.
Wolfsrisse gab es bei seinen Herden noch nie. „Aber es stimmt nicht, dass es in der Schweiz durch den Herdenschutz keine Probleme mehr gibt. Entgegen anderen Behauptungen reißt auch das Calanda-Rudel noch Nutztiere. Der Kanton Graubünden stellt Wildhüter an. Die warnen die Bauern, wenn ein Wolf durchzieht. Dann geht man wenn möglich mit der Herde runter.“
Brandtner sagt, ein bis zwei Prozent Verlust durch Adler, Steinschlag und Absturz seien natürlich. „Wenn ein paar Tiere durch Wolfsrisse dazukommen, wird es um des Friedens willen akzeptiert und nicht an die große Glocke gehängt. Ein Problem sind Wölfe, die in Siedlungen gehen und wiederholt im Blutrausch mehrere Schafe auf einmal töten. Die werden entnommen. Das muss auch in Österreich möglich sein. Wenn der Wolf statt Schafen Dividenden fressen würde, wäre das schon erledigt.“
„Nicht jeder kann Hirte werden. Mental ist das eine eigene Liga.“