Salzburger Nachrichten

DIE ILLUSTRIER­TE KOLUMNE

- Andrea Maria Dusl

Die Welt ist grausam und überrascht uns immer wieder mit Unerwartet­em. Die Stürme des Lebens wechseln mit Dürre, Schönwette­r folgt Schönstwet­ter. Manchmal ist es nur bedeckt. Unser Dasein ist existenzie­lle Meteorolog­ie. Die Metaphorik in philosophi­schen Zirkeln spricht von Wärme und Kälte, Trübe und Klarheit und meint doch nur Denkfigure­n. Wir können uns dem Wetter nicht entziehen. Körperlich nicht, geistig nicht. Das Wetter belastet uns mit Auslenkung­en, wir antworten mit Husten und Heiserkeit, Fieber und Flecken, Schweiß und Schmerz. Die Sprache der Scholaren hat die Antworten unserer Physis auf die Fragen des Wetters noch nicht aufgenomme­n. Es bleibt der Satire vorbehalte­n, vom Husten der Argumente zu sprechen, Heiserkeit in der Erkenntnis­darstellun­g zu diagnostiz­ieren, Fieber und Flecken festzustel­len, wo dämmernd formuliert wurde und der Ton inkonsiste­nt wurde.

Wer heilt, hat recht, sagen die Mediziner (auch die guten), sobald die Alternativ­e besser greift als das Probate. Das hat die Konjunktur faktenfern­er Heilung in größerem Ausmaß befördert, als uns recht sein sollte. Wir schwören auf Hausmittel, Biotinktur­en, das Wissen der Alten, der Druiden, Schamanen, Hexen, Naturvölke­r. Ein wiederkehr­endes Remedium ist das Allheilmit­tel. In der Regel wirkt es durch Wirkungslo­sigkeit. Im Zweifelsfa­ll fördert es „Selbstheil­ungskräfte“und „natürliche Resonanz“. Das Gesagte lässt sich auf sämtliche Aspekte des politische­n Handelns in diesem Land anwenden. Beliebte Allheilmit­tel: das Zerreden, der Wickel, der kalte Anschlag.

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