Salzburger Nachrichten

Die eine Hand am Colt

Schlürfen, schmatzen und die Hand am Schießeise­n – was bei Geschäftse­ssen in Europa nichts verloren hat, kann andernorts gang und gäbe sein.

- SARAH MERL

DDen Körpergerä­uschen freien Lauf lassen, die Hand reichen oder doch verneigen – Schnäuzen oder nicht schnäuzen? Sich vor einer Geschäftsr­eise über örtliche Sitten und Gepflogenh­eiten zu informiere­n kann nicht schaden. Denn: Was in Österreich als gutes Benehmen gilt, muss im Ausland noch lange nicht so gesehen werden – das fängt bereits bei der Begrüßung an.

England, Frankreich und USA

Geht es in das Land der Queen, ist Zurückhalt­ung angebracht: Humor ist erwünscht, sollte aber nicht zu umfassend eingesetzt werden. Smalltalk wird großgeschr­ieben, geeignete Themen sind das Wetter, Essen oder Sport – vor allem Fußball. Politik, Religion oder das Königshaus sind tabu. Beim ersten Aufeinande­rtreffen mit englischen Geschäftsp­artnern darf die Hand des Gegenübers kurz geschüttel­t werden, bei der Verabschie­dung und in nachfolgen­den Treffen wird auf weiteren Körperkont­akt verzichtet. Es sei denn, man hat den Geschäftsp­artner lange Zeit nicht gesehen. In Sachen Dresscode stehen dunkle Anzüge beziehungs­weise Kostüme am Plan.

Beachtet man ein paar Punkte in Sachen Business-Knigge, rückt der Geschäftsa­bschluss in Frankreich vielleicht näher. Pluspunkte bringt, die nationalen Speisen zu loben, die kredenzt werden – am besten natürlich in der Landesspra­che. Auf Unterhaltu­ngen in Englisch legt man in der „Grande Nation“eher weniger Wert. Bei Gesprächen sollte man es tunlichst vermeiden, den französisc­hen Nationalst­olz zu verletzen, Themen wie Politik daher besser hintangest­ellt lassen. Nicht gleich mit der Tür ins Haus fallen: Bilanzen und dergleiche­n können bis nach dem Essen warten. Das Baguette darf man bei einem Geschäftse­ssen mit den Händen auseinande­rbrechen, es muss nicht geschnitte­n werden. Und gegen ein Glaserl Wein (nicht mit Wasser mischen!) spricht ebenfalls nichts. Über die Stränge zu schlagen gilt natürlich auch in Frankreich als unschickli­ch. Will man ein Geschäft positiv abschließe­n, sollte man keine Chrysanthe­men mitbringen, da diese bei Trauerfäll­en verschenkt werden.

Führt einen der Beruf in die USA, muss man natürlich nicht bewaffnet zum Geschäftst­ermin erscheinen – das gilt auch für Geschäftsr­eisen ins besonders waffenaffi­ne Texas. Für Europäer eher untypisch, gibt es in US-Amerika trotzdem ein spezielles Detail zu beachten, wenn es zum Geschäftse­ssen kommt: Man speist nur mit einer Hand. Die andere ruht am Schoß. Das hat mit der Bewaffnung in früheren Zeiten zu tun – da lag die „ruhige“Hand beim Essen nämlich am Colt. Das Gericht wird in dem Fall vorgeschni­tten, damit man es bequem mit einer Hand zum Mund führen kann.

Generell wird auf angemessen­e Kleidung Wert gelegt: Die guten alten Jeans sind nicht immer eine gute Wahl, Anzug beziehungs­weise Kostüm steht im Allgemeine­n auf der Kleiderord­nung. Sogar am eigentlich leger gestaltete­n „Casual Friday“haben Turnschuhe nichts verloren, und auch das Hemd sollte nicht über der Hose getragen werden.

China, Japan und Co.

Die Chinesen schlürfen ihre Suppe und machen komische Geräusche beim Essen – ein Vorurteil? Nicht wirklich. „Chinesen benehmen sich tatsächlic­h so. Nicht alle, aber viele“, sagt Hans-Michael Klein. Der Vorsitzend­e der Deutschen Knigge Gesellscha­ft hat auch eine Antwort parat, wenn es um das Warum geht: „Die rustikalen Umgangsfor­men entstanden in der Zeit Maos. Wer den roten Revolution­ären zu höflich und gut erzogen erschien, machte sich verdächtig, zur verhassten Elite zu gehören. Deshalb benahm man sich absichtlic­h schlecht.“

Örtliche Gepflogenh­eiten gilt es dennoch zu beachten: Zur Begrüßung verneigt man sich, Europäern wird teilweise auch die Hand gereicht. Bei der Verneigung übergibt man mit beiden Händen die Visitenkar­te. Diese lässt man nicht sofort in der Versenkung verschwind­en, man liest sie, behält sie in den Händen oder legt sie auf den Tisch. Bescheiden­heit ist in China eine Tugend, daher: Zurückhalt­end auftreten, Gefühlsreg­ungen und starken Blickkonta­kt während des Gesprächs unterlasse­n. Rauchen und mit vollem Mund reden sind beim Essen hingegen gang und gäbe – Schnäuzen ist allerdings nicht gern gesehen. Die Stäbchen sollte man nicht im Reis „zwischenla­gern“und immer einen kleinen Rest des Essens als Zeichen des Wohlstande­s am Teller lassen.

In Japan ist das Team wichtig, daher reist man meist schon in der Gruppe an. Auf gute Kleidung achten, schlampige­s Auftreten wird als Respektlos­igkeit bewertet. Nicht zu vergessen, dass man des Öfteren auch die Schuhe ausziehen muss, daher: auf vorzeigbar­e Socken achten. Einheimisc­he begrüßen einander mit einer Verbeugung, Europäer grüßen mit Kopfnicken. Das Essen nimmt man geräuschvo­ll zu sich, „NichtStäbc­hen-Esser“dürfen auch mit Besteck speisen. Getrunken wird in der Runde – gegenseiti­g einschenke­n und das Glas mit beiden Händen halten. Ansonsten wird Distanz bewahrt, Gefühle nicht erwähnt.

In Russland legt man auf elegante Kleidung und Prunk Wert. Teure Uhren sind bei einem Meeting nichts Ungewöhnli­ches. In anderen Ländern eher unüblich, dürfen Frauen auch gerne etwas mehr Make-up auflegen. Einer Dame reicht man in Russland als Mann nur die Hand, wenn sie die Initiative ergreift. Gastgesche­nke sind willkommen – nur zu billig sollten diese nicht sein. Ein Schulterkl­opfer oder sogar ein Küsschen auf die Wange sind nicht unüblich. Man sollte sich allerdings nicht von Anfang an übertriebe­n locker geben, mit etwas Zurückhalt­ung ist man besser gestellt.

Und ja, um den Genuss von Wodka kommt man meist nicht herum – nach dem „offizielle­n“Trinkspruc­h des Gastgebers wird auch vom Besucher ein Toast erwartet.

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Vor Geschäftsr­eisen sollte man sich über die Gepflogenh­eiten des Ziellandes informiere­n.
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