Wegen des Brexit
Wegen des Brexit fehlen im EU-Budget nach 2020 Milliardenbeträge. Kürzen will man auch beim Agrarbudget. Direktzahlungen an Bauern von mehr als 60.000 Euro sollen gekürzt werden, mehr als 100.000 Euro soll es nicht mehr geben.
fehlen im EU-Budget nach dem Jahr 2020 Milliardenbeträge. Kürzen will man im Agrarbudget.
BRÜSSEL. Wer die EU-Agrarförderungen kritisch betrachtet, kommt zum Schluss, dass hier einiges falsch läuft. Investoren haben in den vergangenen Jahren massiv Land in den ärmeren Regionen gekauft (und verpachten es), weil die Renditen durch die EU-Förderungen pro Hektar höher waren als bei anderen Investitionen.
Großbetriebe vor allem in Nordeuropa arbeiten trotz aller „grünen“Bewegungen nach wie vor mit industrieller Tierhaltung, die massive Probleme für Klima, Grundwasser und Böden mit sich bringt. Zehn Prozent der landwirtschaftlichen Betriebe – dazu zählt alles vom kleinen Bergbauern bis zur britischen Queen – bekommen derzeit 80 Prozent aller Fördermittel der EU.
Nach 2020 stehen auch im Agrarbereich massive Änderungen bevor. Denn wegen des Brexit fehlen im EU-Haushalt Milliardensummen. Kürzen will man daher auch bei den Agrarsubventionen. Am Freitag präsentierte Landwirtschaftskommissar Phil Hogan in Brüssel seine Pläne für die Verteilung von Agrarfördergeldern in Europa.
Künftig soll bei 100.000 Euro Direktförderung pro Betrieb und Jahr Schluss sein. Und Förderungen pro Betrieb ab 60.000 Euro im Jahr sollen schrittweise sinken. Das ist die einschneidendste Änderung der Agrarförderung ab 2021. Die Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) ist Teil der langfristigen Finanzplanung von 2021 bis 2027.
Die Subventionen für Weizen, Rinder, Fische, Wein, Oliven & Co. machen aktuell immer noch knapp 40 Prozent des EU-Budgets aus. Künftig wird es weniger sein, nicht nur weil Geld durch den Brexit fehlt, sondern auch mehr Geld für neue Aufgaben wie Verteidigung oder Migration gebraucht wird. Nach dem Vorschlag der EU-Kommission sollen im Langfrist-Haushalt für 2021 bis 2027 für natürliche Ressourcen und Umwelt 365 Mrd. Euro zur Verfügung stehen, das wären etwa 30 Prozent des Budgets.
Dies sei ein fünfprozentiger Einschnitt für den siebenjährigen Rahmen. Hogan sprach von einem riesigen Sprung vorwärts in Richtung Vereinfachung der Gemeinsamen Agrarpolitik. Die neuen Direktzahlungen bedeuteten, dass es höhere Beträge für kleine und mittelständische Landwirtschaftsbetriebe geben werde. Außerdem müsse jedes EU-Land selbst entscheiden, wie kleine Landwirte definiert werden. „Ja, das heißt weniger Geld, aber wir haben auch ein System für Junglandwirte“, betonte Hogan. Die EUStaaten müssten mindestens zwei Prozent ihrer Direktzahlungsmittel zur Förderung von Betriebsgründungen für Junglandwirte bereithalten. Hinzu komme eine finanzielle Unterstützung für die Entwicklung des ländlichen Raums. Denn die Staaten sollten mehr Flexibilität erhalten, die ihnen zugewiesenen Mittel zu verwenden. So soll es die Möglichkeit geben, bis zu 15 Prozent der ihnen im Rahmen der GAP zugewiesenen Mittel von Direktzahlungen an Bauern auf Interventionen zur Entwicklung des ländlichen Raums und vice versa zu übertragen. Wesentlich ist es laut Hogan auch, dass 40 Prozent aller Gesamtausgaben der GAP für Klimamaßnahmen aufgewendet werden. Hier gebe es Auflagenbindungen. Jedes Land müsse jährlich einen Leistungsbericht vorlegen. Wenn der Fortschritt nicht ausreichend sei, könne sich die EU-Kommission einschalten.
Österreichs Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) begrüßt die Förderobergrenze ab 100.000 Euro und Kürzungen ab 60.000 Euro. Nicht die Agrarfabriken, sondern die bäuerlichen Familienbetriebe sollten das Agrarmodell der Zukunft sein. Kritik übt sie dagegen an Einsparungen in der ländlichen Entwicklung, wo Österreich laut Köstinger ein Verlust von 82 Mill. Euro an EU-Mitteln jährlich bevorstehe. „Hier erwarten wir uns deutliche Nachschärfungen.“
Der Südtiroler EU-Abgeordnete Herbert Dorfmann, der die Position des Europaparlaments zur Agrarreform erstellt hat, hält eine Obergrenze bei der Direktförderung für richtig. Seiner Ansicht nach sollte sie aber niedriger sein als jetzt von der EU-Kommission vorgesehen. Die Frage sei, was ein vernünftiger Einkommensausgleich sei, sagt Dorfmann. Eine Obergrenze von 50.000 Euro treffe – angesichts einer durchschnittlichen Förderung von 250 Euro pro Hektar – Betriebe mit rund 200 Hektar, also keine Kleinen. Zusätzlich brauche es ein Limit, wie viele Rinder oder Schweine pro Hektar zulässig sind, so lie- ßen sich viele Probleme der Vergangenheit lösen.
Für eine Provokation hält er die stärkeren Kürzungen bei den Fördermitteln für ländliche Entwicklung. Künftig sollen es für sieben Jahre 78 Mrd. Euro sein, verglichen mit rund 120 Mrd. Euro im aktuellen Finanzrahmen. Zudem wird der Zuschuss der EU reduziert, also müssen die Mitgliedsstaaten mehr Geld zur Kofinanzierung in die Hand nehmen. Das trifft Österreich besonders hart, weil kein anderes Land so viel Geld für Umweltprogramme und Bergbauern abgeholt hat. Nach Ansicht von Dorfmann sollte das Anreizsystem für Landwirte eher ausgebaut werden.
Der Vorschlag der EU-Kommission muss nun von den Mitgliedsstaaten und dem EU-Parlament beschlossen werden – was erfahrungsgemäß lange dauert und viele Änderungen bringt.
Wie viele Betriebe in Österreich vom Förderlimit betroffen sein könnten, lässt sich nach Aussagen von Experten schwer einschätzen, weil den Mitgliedsstaaten künftig mehr Flexibilität bei der Vergabe eingeräumt wird. Nach früheren Angaben würde die Grenze von 100.000 Euro rund 80 Förderempfänger treffen.
„Staaten erhalten mehr Flexibilität.“