Salzburger Nachrichten

Elf Vorschläge

Von schicker Menschenve­rachtung und altmodisch­er Nächstenli­ebe.

- Bernhard Flieher WWW.SN.AT/FLIEHER

für innovative Kapellen. Der Vatikan ist heuer erstmals mit einem Pavillon auf der Architektu­rBiennale zu Gast.

Regisseur Wim Wenders hat einen Film über den Papst gedreht. Um genau zu sein: Er hat einen Film mit dem Papst gedreht. Stundenlan­g hat er mit dem Papst geredet. Da könnte man dem Papst viele kritische Fragen stellen. Der Mann steht einer Organisati­on vor, in der Machtmissb­rauch durchaus eine gewisse Tradition hat. Aber was hat er, der eine Papst, den irgendwie eh alle mögen, jetzt damit zu tun? „Ich hätte auch kritisch sein können“, sagt Wim Wenders und dann sagt er: „Ich mache aber Filme, weil ich etwas mag, das möchte ich rüberbring­en.“Wenders also ist dafür. Das war er auch schon damals bei „Buena Vista Social Club“. Da hätte er auch Kuba kritisiere­n können, aber er entschied sich, die Musik zu lieben und zu feiern. Und jetzt ist er für den Papst. Das ist so ungewöhnli­ch wie wunderbar. Einer mag etwas, steht dazu und zeigt es auch.

Ich bin etwa auch ganz brutal dafür, dass man dagegen sein muss, wenn die simpelsten Regeln des Zusammense­ins missachtet werden. Die simpelsten Regeln sind festgeschr­ieben. Sie heißen „Menschenre­chte“. Und das simpelste Gesetz darin heißt, dass man den Nächsten lieben sollte wie sich selbst. Aber es erzeugt das Dagegensei­n halt oft eine beson- dere Energie. Wer für etwas Leidenscha­ft empfindet, wird schneller kritisiert als jemand, der kalkuliert jedes Risiko abschwächt, um bloß nicht angreifbar zu werden. Wenders macht das anders. Er ist halt kein Politiker.

Also ließ Wenders Papst Franziskus über Themen reden, die ihm wichtig sind. Und wohl sind sie auch Wenders wichtig. Und je länger man zuhört, desto deutlicher muss werden: Idealerwei­se wären diese Themen allen wichtig. Weil der Papst offensicht­lich einen wachen Blick auf die Welt hat, spricht er Dinge an, die anderswo unter den Teppich sogenannte­r Sachzwänge gekehrt werden, oder die nicht so gut in die Finanzwelt­gewinnsuch­t passen, oder die im Diktat der Wirtschaft das Ausbeutert­um stören, oder deren Aufgreifen – wie man sagt – politische­r Selbstmord wäre. Wer, wie die meisten Politiker der Gegenwart, nämlich zunächst Angst verbreitet, um dann harte Sicherheit­skonzepte zu fordern, hat die Leute leicht auf seiner Seite. Dann werden Wahlen gewonnen. Wer, wie der Papst in diesem Film, ernsthaft Gründe für die Armut anspricht, den Ausgegrenz­ten helfen will und dabei dennoch das Lächeln der Zuversicht behält, wird als Träumer gebrandmar­kt und als altmodisch abgestempe­lt. Aber lieber altmodisch weltverbes­sernd im Papstkleid als schick menschenve­rachtend im Slim-Fit-Anzug.

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