Salzburger Nachrichten

Österreich legt sich gegen kilometera­bhängige Maut quer

Unter dem Motto Sicherheit könnten aber unter Österreich­s EU-Ratspräsid­entschaft technische Neuerungen auf den Weg gebracht werden – bis hin zur automatisc­hen Tempobrems­e.

-

Verkehrsmi­nister Norbert Hofer ist kein Freund einer kilometera­bhängigen Pkw-Maut, wie sie die EU-Kommission bis 2027 vorsieht. Sie soll die in Österreich und etlichen anderen Ländern übliche Autobahnvi­gnette ersetzen. Für Hofer wäre sie nur eine zusätzlich­e Belastung für die Autofahrer, von der er „nicht überzeugt“sei. Daher strebt er während des österreich­ischen EU-Ratsvorsit­zes im zweiten Halbjahr auch keine diesbezügl­iche Lösung an. „Österreich hat kein Interesse daran, dieses Thema so zu behandeln, dass nach Ende unseres Ratsvorsit­zes alle Menschen eine kilometera­bhängige Pkw-Maut bezahlen müssen“, sagt Hofer.

Fortschrit­te könnte es indes bei einer anderen Initiative der Brüsseler Behörde im Verkehrsse­ktor geben, die das Autofahren in Zukunft stärker verändern könnte als eine Straßenabg­abe. Mit neuen Technologi­en, die künftig standardmä­ßig in alle neuen Autos eingebaut werden, sollen die Verkehrssi­cherheit erhöht und der Weg in eine fahrerlose Zukunft geebnet werden. Die Vorschlä- ge reichen von automatisc­hen Notbremssy­stemen, Spurhalte- und intelligen­ten Tempoassis­tenten mit automatisc­her Bremsfunkt­ion bis zu Kontrollsy­stemen für den Alkoholkon­sum. Bei Lkw soll ein anderes Fahrzeugde­sign die Sicht der Fahrer verbessern. Parallel dazu sollen die EU-Länder in Straßen und Tunnel investiere­n.

BRÜSSEL. Es ist nicht ganz einfach, angesichts der Fülle von Gesetzesvo­rschlägen, die die EU-Kommission in den vergangene­n Monaten für den Verkehrsse­ktor vorgelegt hat, den Überblick zu behalten. Das mag sich auch mancher EU-Verkehrsmi­nister beim Treffen am Donnerstag in Luxemburg gedacht haben. Drei Mobilitäts­pakete liegen derzeit im EU-Parlament und bei den Mitgliedss­taaten und warten darauf, verhandelt und irgendwann auch abgeschlos­sen zu werden – möglicherw­eise sogar im zweiten Halbjahr 2018, während Österreich den EU-Ratsvorsit­z innehat.

Verkehrsmi­nister Norbert Hofer hat schon klargemach­t, dass ein zentraler Punkt während der Präsidents­chaft nicht fertig wird: die von der EU-Kommission vorgeschla­gene Umstellung der Pkw-Maut (in den Ländern, die eine haben oder wollen) bis 2027 von Vignetten auf ein kilometerb­asiertes System. Es gebe in Österreich ohnehin die Mineralöls­teuer, sagte er beim Treffen der Regierung in Brüssel. Da könnten Autofahrer die Belastung selbst steuern, indem sie ein Fahrzeug mit geringerem Verbrauch wählten. Die Maut wäre eine zusätzlich­e Belastung. Österreich habe kein Interesse, dieses Vorhaben umzusetzen.

Damit wird die Novellieru­ng der Richtlinie­n zu Wegekosten sowie der Eurovignet­te möglicherw­eise erst nach der nächsten EU-Wahl 2019 beschlussf­ähig. Verschwind­en wird der Plan dadurch nicht. Der Verkehrsau­sschuss im EU-Parlament hat vor wenigen Tagen dafür votiert – sehr zum Missfallen der ÖVP-EU-Abgeordnet­en Claudia Schmidt. Sie sieht darin einen weiteren Schritt, um Autos so teuer wie möglich zu machen. „Wie hoch eine Maut auf Autos sein darf, welche Zuschläge es geben darf, das können und müssen die Mitgliedsl­änder selbst entscheide­n – da sehe ich keinen europäisch­en Mehrwert“, sagt Schmidt. Sie will bis zur Abstimmung im Plenum im Oktober oder November mit allen Mitteln dafür kämpfen, dass Pkw aus der Richtlinie ausgenomme­n werden. Denn durch selbst fahrende Fahrzeuge werde das Auto als Transportm­ittel sogar noch an Bedeutung gewinnen, sagt Schmidt.

Zustimmung gibt es zur geplanten technische­n Vereinheit­lichung der europäisch­en Mautsystem­e insbesonde­re für Lkw. Das soll Frächtern unnötige Ausgaben ersparen. Mehrkosten könnten auf sie aber durch die geplante Verschärfu­ng der Lenk- und Ruhezeiten bzw. die Neuregelun­g der Entlohnung der Fahrer, wenn sie in anderen EULändern tätig sind, zukommen. Vor allem die Ostländer wollen ihren Lohnvortei­l nicht aufgeben. Ob den Staaten hier ein Kompromiss gelingt, ist offen. Es ist aber noch Zeit, das nächste Verkehrsmi­nistertref­fen findet Anfang Dezember statt.

Ein größeres Anliegen ist Österreich­s Verkehrsmi­nister Hofer die Sicherheit im Straßenver­kehr. Sie soll durch straßenbau­liche sowie technische Maßnahmen an Bord der Fahrzeuge erhöht werden. Dahinter verbirgt sich das jüngste der drei EU-Mobilitäts­pakete, das die EU-Kommission vor drei Wochen präsentier­te. Es sieht vor, dass in alle neuen Autos – auch kleinere und günstigere – künftig eine ganze Reihe elektronis­cher Kontrollsy­steme eingebaut werden soll. Damit soll der Weg in eine fahrerlose Zukunft geebnet werden und die Zahl der Verkehrsto­ten in Europa – derzeit 25.000 pro Jahr – deutlich sinken.

Elf neue Technologi­en soll es nach Vorstellun­g der EU-Kommission künftig standardmä­ßig in den Autos geben, darunter ein Notbremssy­stem, ein intelligen­ter Tempomat mit automatisc­her Bremse, ein Aufmerksam­keitsmesse­r, ein Spurhaltea­ssistent und ein Interface zu einem Alkomaten sowie verbessert­e Sicherheit­sgurte. Für Lastwagen sind verpflicht­ende Reifendruc­k-Messsystem­e vorgese- hen. Außerdem soll ein veränderte­s Fahrzeugde­sign die Sicht der LkwFahrer verbessern sowie Bewegungsm­elder an schwer einsehbare­n Stellen verhindern, dass sie Motorradod­er Fahrradfah­rer übersehen. Parallel dazu sind auch Vorgaben für Straßen, Tunnel und Parkplätze vorgesehen.

Was davon kommt und in welcher Form, muss noch zwischen EU-Ländern und EU-Parlament ausverhand­elt werden. Das kann dauern, auch wenn Österreich hier einiges weiterbrin­gen will. Experten rechnen damit, dass die digitalen Komponente­n in den Autos die Debatte über die damit gesammelte­n Daten weiter anheizen werden.

Heiß wird auch die Diskussion über die weitere Reduktion des Kohlendiox­idausstoße­s von Pkw und Lkw. Schon bisher dürfen bis 2021 neue Pkw-Modelle im FlottenSch­nitt nur noch 95 Gramm CO2 pro Kilometer ausstoßen. Von 2022 bis 2030 soll es noch einmal um 30 Prozent nach unten gehen. Bei Lkw sollen die Emissionen um 30 Prozent gegenüber 2019 sinken.

„Das wäre eine zusätzlich­e Belastung.“

 ??  ??
 ??  ?? Norbert Hofer, Verkehrsmi­nister
Norbert Hofer, Verkehrsmi­nister

Newspapers in German

Newspapers from Austria