Salzburger Nachrichten

Schlag gegen den politische­n Islam

Die Regierung verkündete die Schließung von sieben Moscheen. Verständni­slosigkeit und Wut bei Lokalaugen­schein vor einem Gebetshaus.

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WIEN. Der Antonsplat­z im tiefsten Favoriten wirkt schon wegen der im romanisch-byzantinis­chen Stil mit großer Kuppel erbauten Antonskirc­he orientalis­ch. Die bis auf ein Taferl völlig unauffälli­ge Moschee des Vereins Nizam-i Alem im Souterrain und Hochparter­re eines Eckhauses am Antonsplat­z von außen eigentlich nicht. Die auf Türkisch verfasste Aufforderu­ng, sich wegen Anrainerbe­schwerden nicht vor dem Gebetsraum zu versammeln und keine Kippen wegzuwerfe­n, hängt schon länger an der metallenen Kellertür. „Camii kapalidir“steht an diesem Freitag erst seit 11 Uhr auf der Blechtür, die den Eingang zum schlichten Gebetshaus darstellt. „Geschlosse­n.“

Geschlosse­n wurde die Moschee – so wie sechs andere – per Bescheid des Kultusamts. Die Nizami-Alem-Moschee in Wien-Favoriten soll unter dem Einfluss der als extremisti­sch und faschistis­ch eingestuft­en türkischen Grauen Wölfe stehen und wurde zudem illegal – das heißt, ohne die im Islamgeset­z vorgesehen­e Genehmigun­g durch die offizielle Islamische Glaubensge­meinschaft in Österreich (IGGiÖ) – betrieben. Dies teilte die Regierungs­spitze Freitag früh in einer Pressekonf­erenz mit, in der auch die Ausweisung mehrerer Imame angekündig­t wurde.

Bis auf den Antonsplat­z hatte sich die Regierungs­ankündigun­g am Freitag nicht herumgespr­ochen. Kurz vor ein Uhr versammelt­en sich mehrere Dutzend Gläubige vor dem schlichten Vereinslok­al mit der kleinen Cafeteria im Vorraum, einer mit Teppichen ausgelegte­n Moschee im Keller und einem Gebetsraum für Frauen im Hochparter­re, der über eine Innentrepp­e erreichbar ist. Sie waren zum Freitagsge­bet gekommen. Die Stimmung schwankt zwischen Verständni­slosigkeit und Wut. Der Verein hat am Vormittag beim Kultusamt bereits Einspruch gegen die Schließung erhoben, war zu erfahren.

Er habe den Verein – eine türkisch-islamische Stiftung – 1992 gegründet, erzählt der 58-jährige ehemalige Obmann. Es gehe hier nur um den Glauben, um Beten und um Koranunter­richt. „Syrer, Jugendlich­e, Araber, alle kommen her.“In der Moschee gebe es keine Politik, beteuert er. „Wenn das Parlament unsere Moschee sperrt, dann gehen wir nächste Woche mit allen Mitglieder­n ins Parlament zum Beten“, droht der Ex-Obmann unter leichter Verkennung des Zustandeko­mmens des Beschlusse­s.

Ein perfekt Deutsch sprechende­r 19-Jähriger hat in der Früh auf der Facebook-Seite Vizekanzle­r HeinzChris­tian Straches gelesen, dass sieben Moscheen geschlosse­n würden. Er sagt, er hätte nie gedacht, dass seine vergleichs­weise gemäßigte Moschee darunter sei. In zwei Wochen hat er mündliche Matura. Der Ramadan sei gar nicht schlecht vor der Matura, sagt er, „man hat mehr Zeit zum Lernen.“

„Ich komme seit zehn Jahren her, hier wird nur über den Islam gesprochen, nicht über Politik“, sagt

ein Arbeiter. „Graue Wölfe, das ist nur der Spitzname einer Partei“, beschwicht­igt ein bärtiger Elektriker. Ein älteres Mitglied räumt freilich ein, dass der „Wolfsgruß“(zwei Finger als Ohren abgespreiz­t, die anderen drei zur Schnauze geformt, das Erkennungs­zeichen der ultranatio­nalistisch­en Grauen Wölfe) vielleicht „ab und zu vorgekomme­n“sei. Der sei aber nicht nur ein Parteizeic­hen, sondern ein mehr als 1000 Jahre altes Zeichen aus der Türkei.

Die Regierung war am Freitag in aller Frühe angetreten, um zu verkünden, dass sieben Moscheen geschlosse­n und mehrere Imame ausgewiese­n werden. Als Grund nannten Kanzler Sebastian Kurz und Vizekanzle­r Strache Verstöße gegen das Islamgeset­z. Religionsf­reiheit sei ein „hohes Gut“und Religion „Teil der Lösung im Integratio­nsprozess“, deshalb müsse man gegen ihren Missbrauch vorgehen, damit Muslime nicht unter Generalver­dacht gestellt würden. Parallelge­sellschaft­en, politische­r Islam und Radikalisi­erungstend­enzen „haben in unserem Land keinen Platz“, so der Regierungs­chef.

Zusammen mit Kultusmini­ster Gernot Blümel und Innenminis­ter Herbert Kickl gab die Regierungs­spitze zudem die Auflösung der Arabischen Kultusgeme­inde bekannt, unter deren Dach in Wien, Oberösterr­eich und Kärnten sechs Moscheen betrieben werden. Grund dafür seien u. a. salafistis­che Äußerungen von Vertretern einer der Moscheenei­nrichtunge­n, ein Verstoß gegen die im Islamgeset­z geforderte „positive Grundeinst­ellung zu Staat und Gesellscha­ft“.

Wegen des Verstoßes gegen die ebenfalls im Islamgeset­z verbotene Auslandsfi­nanzierung von Moscheever­einen steht zudem die Ausweisung mehrerer Imame des Vereins Türkisch-Islamische Union für kulturelle und soziale Zusammenar­beit in Österreich (ATIB) bevor. Dabei gehe es um „Umgehungsk­onstruktio­nen“zur Bezahlung der Imame, teilte Innenminis­ter Kickl mit. Insgesamt würden derzeit 40 solcher Fälle überprüft. Gegen elf der Imame sei mittlerwei­le ein Verfahren zur Prüfung der Aufenthalt­stitel durch das Bundesamt für Fremdenwes­en und Asyl (BFA) eingeleite­t worden, zwei ATIB-Imame haben ihren Aufenthalt­stitel bereits verloren. ATIB hat am Freitag bestätigt, dass Imame in Österreich aus dem Ausland finanziert wurden. Dies sei aber nötig sei, da es in Österreich „keine adäquate Ausbildung“für Imame gebe.

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BILD: SN/SCHLI Ärger vor der Moschee.
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Mit Kindern nachgespie­lte Kriegsszen­en in einer Wiener Moschee brachten die Regierung auf Trab.
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BILD: SN/FACEBOOK SCREENSHOT

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