1963 Als Habsburg das Land spaltete
Die Frage, ob Otto Habsburg nach Österreich einreisen darf, brachte die SPÖ-ÖVP-Koalition ins Wanken. Der Widerstand gegen den Sohn des ehemaligen Kaisers war enorm.
Streiks und Proteste sind in Österreich eher selten. Am 2. November 1966 war einer dieser Tage, an dem diese Regel gebrochen wurde. 250.000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gingen im ganzen Land auf die Straße. Allerdings nicht um höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen zu erstreiten, sondern aus Ärger über Otto Habsburg und seine Reise nach Innsbruck. Es war das erste Mal, dass ein Angehöriger des ehemaligen Herrscherhauses nach dem Zweiten Weltkrieg österreichischen Boden betrat.
Die Grundlage für diesen Konflikt war bereits im Jahr 1963 gelegt worden. ÖVP und SPÖ hatten sich nicht darauf einigen können, ob Otto von Habsburg das Recht haben soll, Österreich zu besuchen.
100 JAHRE REPUBLIK
Das Einreiseverbot gegen die Habsburger war bereits nach Ende des Ersten Weltkriegs erlassen worden. Am 24. März 1919 war die Herrscherfamilie ins Zwangsexil gegangen. Am 3. April 1919 wurden im Parlament die Habsburger-Gesetze beschlossen, durch die die ehemalige Herrscherdynastie des Landes verwiesen wurde. Dieses Gesetz galt vorerst bis 1935. Im Austrofaschismus wurde das Einreiseverbot kurz aufgehoben. 1603 österreichische Gemeinden verliehen Otto von Habsburg daraufhin die Ehrenbürgerschaft.
Allerdings dauerte das nur bis zum Einmarsch der Deutschen Wehrmacht in Österreich. Otto Habsburg protestierte dagegen und wurde so für Adolf Hitler zum Staatsfeind.
Aber auch nach dem Zweiten Weltkrieg blieb Österreich für die Habsburger tabu. Die provisorische Staatsregierung setzte die Habsburgergesetze wieder in Kraft. In einem Brief an US-Präsident Franklin D. Roosevelt hatte Otto Habsburg zuvor vor einer Anerkennung dieser von Karl Renner (SPÖ) geführten Regierung gewarnt. Er bezeichnete Renner als „Kryptokommunisten“, was ihm die Feindschaft der Sozialdemokraten einbrachte. Allerdings blieb der Habsburger bei seiner Meinung. Noch im Jahr 2007 erklärte er in einem Interview: „Karl Renner, der hat Hitler 1938 begrüßt, dann hat er 1945 diesen Liebesbrief an Stalin geschrieben und ist von ihm eingesetzt worden. Dass der einen Menschen, der das nicht getan hat, ungern hat, versteh ich“, erklärte er.
Regierung hatte kein Interesse an der Rückkehr
Die österreichische Regierung legte also keinen besonderen Wert auf die Rückkehr des Habsburgers. So wurden alle seine Versuche, das Einreiseverbot zu umgehen, ab dem Jahr 1945 vereitelt. Als Österreich wieder unabhängig wurde, eskalierte die Auseinandersetzung. Habsburg wollte unbedingt nach Österreich. Innenminister Oskar Helmer (SPÖ) legte im Jahr 1957 den Namen mit „Dr. Otto HabsburgLothringen“fest. Die Führung des dynastischen Namens „Otto von Österreich" wurde amtlich untersagt. Der Reisepass trug den Vermerk „Gültig für alle Staaten der Welt, ausgenommen Österreich“.
Am 31. Mai 1961 gab Habsburg schließlich die von ihm geforderte Erklärung ab, in der er auf jeglichen Herrschaftsanspruch verzichtete. Er schrieb, dass er auf die Mitgliedschaft zum Hause Habsburg-Lothringen und auf alle aus ihr gefolgerten Herrschaftsansprüche ausdrücklich verzichte und sich als getreuer Staatsbürger der Republik bekenne.
Womit sich die Causa aber keineswegs beruhigte. Im Frühsommer des Jahres 1963 wäre die Große Koalition von ÖVP und SPÖ wegen Otto Habsburg fast in die Brüche gegangen. Trotz der Verzichtserklärung war die SPÖ weiterhin gegen die Einreise von Otto Habsburg-Lothringen, die ÖVP dafür.
Die Regierungsparteien waren sich vor allem uneins, ob die Erklärung, die Habsburg unterfertigt hatte, ausreichte. Hintergrund waren unter anderem die Befürchtungen, dass er auf Rückgabe des enteigneten Vermögens klagen könnte. Nachdem die Regierung keine Entscheidung über seine Einreise traf, wandte sich Otto an den Verfassungsgerichtshof, der ihm 1963 recht gab.
Um die Einreise zu verhindern, schmiedete die SPÖ im Nationalrat trotz der Koalition mit der ÖVP eine Allianz mit der oppositionellen FPÖ, um die Einreise des Sohns des letzten österreichischen Kaisers zu verhindern. Heute wird dies auch als Vorspiel für die SPÖ-FPÖ-Allianz in der Zeit der Minderheitsregierung unter Bundeskanzler Bruno Kreisky (1970–1971) angesehen. Die Sozialdemokraten waren damals auf die FPÖ-Stimmen im Parlament angewiesen. Übrigens: Die erste Einreise Ottos erfolgte 1966, als Österreich von der ÖVP allein regiert wurde.