Brexit mit der Brechstange wird Desaster
Die britischen Bürger sollten daher ein weiteres Mal über die EU abstimmen.
Sie logen, dass sich die Balken bogen. Aber der Ausstieg aus der Europäischen Union bringt nicht auf wundersame Weise enorme Gelder in die britische Kasse, wie die Brexiteers behauptet haben; er wird vielmehr enorm teuer für das Land. Dass massive Desinformation diese Abstimmung geprägt hat, macht das Brexit-Votum von 2016 in höchstem Maße fragwürdig.
Die Brexit-Betreiber hatten nicht einmal ansatzweise eine Ahnung davon, wie das Ausscheiden des Landes aus einer Union vonstattengehen sollte, mit der das Land auf vielfältige Weise verknüpft ist. Statt eines Plans gibt es nur Chaos, in den Köpfen und in der politischen Praxis. Die regierenden Konservativen sind in dieser Frage gespalten: Die einen wollen zwar die EU verlassen, aber die Vorteile von Binnenmarkt und Zollunion möglichst behalten. Die anderen wollen eine Lage vermeiden, in welcher Großbritannien im Bannkreis Brüssels bleibt, aber seinen politischen Einfluss dort verliert. Sie erstreben deshalb den totalen Bruch, notfalls mit der Brechstange.
Außenminister Boris Johnson wirbt für einen konfrontativen Kurs in den Austrittsverhandlungen, er schließt auch einen „Zusammenbruch“der Gespräche mit der EU nicht mehr aus. Das ist verantwortungslos, mit Blick auf die Briten und mit Blick auf Europa; und es ist der zweite Grund, weshalb das Brexit-Votum in höchstem Maße infrage zu stellen ist.
In größter Klarheit zeigt sich, dass den Briten die Komplexität eines EU-Austritts nicht einmal annähernd bewusst gewesen ist. Diese Abstimmung war zudem von Zufällen des politischen Kalenders abhängig: Studenten hatten Semesterferien; viele von ihnen blieben den Wahlurnen fern, statt sich wie die große Mehrheit der Jungen für die EU auszusprechen. Die junge Generation sieht sich jetzt um ihre Zukunft betrogen. Das ganze Land ist polarisiert. Eine so weitreichende Frage wie die EU-Mitgliedschaft hätte folglich nie und nimmer nach einem simplen Ja-Nein-Muster und gar mit einfacher Mehrheit entschieden werden dürfen. Es war ein falsches Exempel von direkter Demokratie.
Aber dürfen Regierung und Parlament die Volksmeinung missachten, die sich im BrexitVotum ausgedrückt hat? Rein rechtlich ist das Unterhaus an das Ergebnis dieses Volksentscheids nicht gebunden. Und politisch muss die Regierung keineswegs einem Votum folgen, bei dem die öffentliche Meinung derart manipuliert worden ist. Alles spricht für ein zweites Referendum, das auf eine sachliche Debatte über Für und Wider eines EU-Ausstiegs folgt.