Vom Fernsehen zum Föcebook
Prominente Auftaktredner, viel Diskussion, wenig Ergebnis: die zweitägige Medienenquete der Bundesregierung.
Gernot Blümel sagt, er habe in Österreich nie zuvor einen so tief gehenden Diskurs über Medien erlebt. Nun gehört Selbstlob zwar zum Standardrepertoire von Politik, doch Wahrheit ist auch eine Frage der Perspektive. Der Blickwinkel des Ministers wird geprägt von seiner Wahrnehmung der heimischen „Medienpolitik als ein einziges großes Missverständnis.“Dass die Regierung dazu auch selbst beiträgt, weil sie im Koalitionsprogramm die Trauben für ihre Medienenquete zu hoch gehängt hat, sagt er nicht.
Wenn Blümel auf der Veranstaltung selbst die Latte tiefer legt, handelt er noch rechtzeitig richtig. Sie konnte immer nur Start sein. Die im Regierungsprogramm vorgesehene Erarbeitung von Leitlinien für den Medienstandort und ein neues ORF-Gesetz war eine Überforderung. Die überwiegende Teilnehmerbilanz, dass schon lang nicht mehr von so vielen Experten so intensiv über Medien diskutiert wurde, muss als Kompliment genügen.
Wohin die Reise gehen soll, hat Blümel schon mit dem Programm klargemacht – vor allem per Übergewichtung von Puls4/ATV-Chef Markus Breitenecker zum Gegenspieler von ORF-General Alexander Wrabetz, subtiler durch die Auftaktredner: Mathias Döpfner und Gerhard Zeiler. Vom Vorstand des Axel Springer Verlags war infolge seiner Kritik an ARD und ZDF eine Schelte des öffentlichen Rundfunks zu erwarten. Beim Präsidenten von Turner Broadcasting hat mancher eine sentimentale Rückbesinnung auf seine Zeit als ORF-Chef erhofft.
Dass beides nicht geschah, tat gut. Döpfner konzentrierte sich auf den Kampf für ein europäisches Verlegerrecht und die Änderung der E-Privacy-Verordnung. Zeiler kritisierte die mangelnde Effizienz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks insgesamt, verteidigte aber die Gebührenfinanzierung des ORF. Döpfners Zweitrolle als deutscher Verlegerpräsident lenkt ab davon, dass Springer längst kein herkömmliches Medienhaus mehr ist. Die Zeitungen „Bild“und „Welt“strahlen bloß als Marken stärker als ganz andere hoch profitable digitale Geschäftsfelder. Zeilers vier Jahre als ORF-General wiederum prägen bis heute das landläufige Image des Managers, der seit zwei Dekaden wieder für Privat-TV arbeitet. Doch während von Döpfner 2002 auch das letzte Österreich-Investment seiner Vorgänger beendet wurde (nach „Standard“und „News“die Mehrheit an der Moser Holding), ist der ORF großteils noch so strukturiert, wie ihn Zeiler durch die Programmreform 1995 aufgestellt hat.
Der aus dieser Altlast entstandene Veränderungsdruck hat der Medienenquete einen zu starken Fernsehschwerpunkt beschert, der die unumstrittene gemeinsame Zukunftsorientierung oft überlagerte – den Kampf gegen US-amerikanische Digitalgiganten wie Facebook, Google und Amazon. Da gab es zwar Fantasien, die österreichische Zwergenaufstände von Föcebook über Göögle bis Ömazon erträumen lassen. Doch diese Abkehr vom Missverständnis der Gleichstellung von Medienpolitik und öffentlichrechtlichem-Rundfunk, wie Blümel sie eingangs beklagte, war noch nicht konsequent genug. Der Minister hat die Luft rausgenommen, indem er die Enquete vom Ziel zum Start umdefinierte. Jetzt braucht er den langen Atem. Medienpolitik ist kein Sprintspektakel, sondern ein Dreikampf von Langstreckendiskurs, Beteiligungsparcours und Verhandlungsmarathon für einen Ironman.