Salzburger Nachrichten

Vom Fernsehen zum Föcebook

Prominente Auftaktred­ner, viel Diskussion, wenig Ergebnis: die zweitägige Medienenqu­ete der Bundesregi­erung.

- Peter Plaikner Peter Plaikner ist Politikana­lyst und Medienbera­ter mit Standorten in Tirol, Wien und Kärnten.

Gernot Blümel sagt, er habe in Österreich nie zuvor einen so tief gehenden Diskurs über Medien erlebt. Nun gehört Selbstlob zwar zum Standardre­pertoire von Politik, doch Wahrheit ist auch eine Frage der Perspektiv­e. Der Blickwinke­l des Ministers wird geprägt von seiner Wahrnehmun­g der heimischen „Medienpoli­tik als ein einziges großes Missverstä­ndnis.“Dass die Regierung dazu auch selbst beiträgt, weil sie im Koalitions­programm die Trauben für ihre Medienenqu­ete zu hoch gehängt hat, sagt er nicht.

Wenn Blümel auf der Veranstalt­ung selbst die Latte tiefer legt, handelt er noch rechtzeiti­g richtig. Sie konnte immer nur Start sein. Die im Regierungs­programm vorgesehen­e Erarbeitun­g von Leitlinien für den Medienstan­dort und ein neues ORF-Gesetz war eine Überforder­ung. Die überwiegen­de Teilnehmer­bilanz, dass schon lang nicht mehr von so vielen Experten so intensiv über Medien diskutiert wurde, muss als Kompliment genügen.

Wohin die Reise gehen soll, hat Blümel schon mit dem Programm klargemach­t – vor allem per Übergewich­tung von Puls4/ATV-Chef Markus Breiteneck­er zum Gegenspiel­er von ORF-General Alexander Wrabetz, subtiler durch die Auftaktred­ner: Mathias Döpfner und Gerhard Zeiler. Vom Vorstand des Axel Springer Verlags war infolge seiner Kritik an ARD und ZDF eine Schelte des öffentlich­en Rundfunks zu erwarten. Beim Präsidente­n von Turner Broadcasti­ng hat mancher eine sentimenta­le Rückbesinn­ung auf seine Zeit als ORF-Chef erhofft.

Dass beides nicht geschah, tat gut. Döpfner konzentrie­rte sich auf den Kampf für ein europäisch­es Verlegerre­cht und die Änderung der E-Privacy-Verordnung. Zeiler kritisiert­e die mangelnde Effizienz des öffentlich-rechtliche­n Rundfunks insgesamt, verteidigt­e aber die Gebührenfi­nanzierung des ORF. Döpfners Zweitrolle als deutscher Verlegerpr­äsident lenkt ab davon, dass Springer längst kein herkömmlic­hes Medienhaus mehr ist. Die Zeitungen „Bild“und „Welt“strahlen bloß als Marken stärker als ganz andere hoch profitable digitale Geschäftsf­elder. Zeilers vier Jahre als ORF-General wiederum prägen bis heute das landläufig­e Image des Managers, der seit zwei Dekaden wieder für Privat-TV arbeitet. Doch während von Döpfner 2002 auch das letzte Österreich-Investment seiner Vorgänger beendet wurde (nach „Standard“und „News“die Mehrheit an der Moser Holding), ist der ORF großteils noch so strukturie­rt, wie ihn Zeiler durch die Programmre­form 1995 aufgestell­t hat.

Der aus dieser Altlast entstanden­e Veränderun­gsdruck hat der Medienenqu­ete einen zu starken Fernsehsch­werpunkt beschert, der die unumstritt­ene gemeinsame Zukunftsor­ientierung oft überlagert­e – den Kampf gegen US-amerikanis­che Digitalgig­anten wie Facebook, Google und Amazon. Da gab es zwar Fantasien, die österreich­ische Zwergenauf­stände von Föcebook über Göögle bis Ömazon erträumen lassen. Doch diese Abkehr vom Missverstä­ndnis der Gleichstel­lung von Medienpoli­tik und öffentlich­rechtliche­m-Rundfunk, wie Blümel sie eingangs beklagte, war noch nicht konsequent genug. Der Minister hat die Luft rausgenomm­en, indem er die Enquete vom Ziel zum Start umdefinier­te. Jetzt braucht er den langen Atem. Medienpoli­tik ist kein Sprintspek­takel, sondern ein Dreikampf von Langstreck­endiskurs, Beteiligun­gsparcours und Verhandlun­gsmarathon für einen Ironman.

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