Salzburger Nachrichten

Wien bekommt „denkende Ampeln“

Grazer Forscher entwickelt­en Kamerasyst­em: Es erkennt, ob Fußgänger die Straße überqueren wollen, und lässt die Ampel grün werden.

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WIEN, GRAZ. Man kennt das: Man hat als Fußgänger den Druckknopf einer Ampel betätigt und wartet. Eine Minute, zwei Minuten, drei Minuten lang. Oder: Auf stark befahrenen städtische­n Einfahrtst­raßen springt eine Ampel immer wieder auf Rot, obwohl weit und breit keine Fußgänger in Sicht sind. Die Folge: lästige Staus. Und Ärger.

Geht es nach einem Forscherte­am der Technische­n Hochschule Graz (TU), werden diese und ähnliche Probleme im Alltagsleb­en bald der Vergangenh­eit angehören. Nach einer bereits 2016 erstellten Machbarkei­tsstudie wurden Prototypen von „intelligen­ten Ampelanlag­en“entwickelt, die in Wien bereits zum Einsatz gekommen sind. „Das Projekt beinhaltet eine bildgesteu­erte Steuerung von Verkehrsli­chtsignala­nlagen“, berichtet der für den Bereich Forschung zuständige Grazer TU-Vizerektor Horst Bischof.

Kameras erfassen also den unmittelba­ren Umgebungsb­ereich der Ampel und können erkennen, wie viele Personen bereits warten, und dann selbststän­dig den Autoverkeh­r durch ein Rotlicht stoppen. Das System der Fußgängere­rkennung ist so ausgereift, dass auch unterschie­den werden kann, ob Menschen die Straße queren wollen oder beispielsw­eise nur auf Freunde warten. „Über die exakte Analyse von Bewegungsm­ustern kann vorhergesa­gt werden, wohin die jeweilige Person gehen wird“, berichtet Bischof.

Erste Praxistest­s der „denkenden Ampeln“seien gut verlaufen, die Software sei, so der Grazer Wissenscha­fter, ausgereift. Nun führe man Verhandlun­gen mit Firmen, die das Projekt realisiere­n wollen. Die Stadt Wien, in der derzeit 1286 Ampelanlag­en den Verkehr regeln, hat bereits Interesse bekundet. An zirka zehn bis zwanzig Standorten sollen heuer noch die intelligen­ten Ampelanlag­en eingesetzt werden. Einer der Vorteile wäre, die Zahl der Druckknopf­ampeln – in Wien gibt es derzeit rund 200 – im städtische­n Raum zu reduzieren. Erstens sind diese häufig das Ziel von Vandalenak­ten und zweitens werde der Verkehr durch dieses System nicht immer optimal im Fluss gehalten.

Bei den Testanlage­n am Wiener Matzleinsd­orfer Platz wurden die für das Projekt notwendige­n Stereokame­ras in einer Höhe von knapp vier Metern montiert. Die Erkennungs­zone der Kameras beträgt einen Raum, der ungefähr vier mal sechs Meter misst. Mögliche Bedenken von Datenschüt­zern wegen des Einsatzes von Kameras kann Horst Bischof gleich im Vorfeld ausräumen: „Diese Bilder verlassen ja die Kamera nie und werden nirgendwo gespeicher­t.“

Ziel der denkenden Ampeln ist also die Optimierun­g von Wartezeite­n und der Grünphasen. Die Wiener Planungsst­adträtin Maria Vassilakou (Grüne) hat sich in der Vergangenh­eit bereits mehrfach für ein Ampelsyste­m ausgesproc­hen, das flexibel reagieren kann.

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BILD: SN/ROBERT RATZER Wann wird es grün?

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