Salzburger Nachrichten

Fußball, Giftschran­k, Politik

- Alexander Purger WWW.SN.AT/PURGERTORI­UM

Preisfrage aus aktuellem Anlass: Was ist der Unterschie­d zwischen einem Fußballtra­iner und einem Parteichef? Nun, der Trainer kann jederzeit einen Spieler auswechsel­n. Der Parteichef nicht. Oder können Sie sich folgendes Sze-Narr-io vorstellen?

80. Spielminut­e. Franco Foda möchte Marco Arnautovic austausche­n. Statt das Spielfeld zu verlassen, überreicht der Stürmer dem Teamchef eine Liste mit Bedingunge­n, unter denen er zum Wechsel bereit wäre: fixe Startplätz­e im WM-Finale und im nächsten Champions-League-Endspiel (und zwar in der jeweiligen Siegermann­schaft), die Fußballsch­uhe von Lionel Messi, das Gehalt von Cristiano Ronaldo und ein lebenslang­es Rückkehrre­cht in die National- mannschaft (und zwar auch noch mit Rollator). Franco Foda wundert sich nicht, sondern nimmt die Forderungs­liste entgegen und lässt darüber monatelang in internen Krisensitz­ungen beraten. Undenkbar, nicht wahr?

In Wahrheit würde sich der Teamchef an die Stirn tippen und Arnautovic fragen: „Mann, bist du Bißmann?“Ein Parteichef kann das, wie wir gesehen haben, nicht. Er kann der betreffend­en Kollegin zwar in Aussicht stellen, ihr mit einer Anfangsges­chwindigke­it von c = 300 km/h an die Wange zu tippen, aber loswerden kann er sie nicht.

Das liegt daran, dass es die gute alte Blankoverz­ichtserklä­rung nicht mehr gibt. Bis in die 80er-Jahre, als Politik noch mit der notwendige­n Robustheit betrieben wurde, musste jeder neue Abgeordnet­e beim Klubobmann antreten und – ohne Datum – schriftlic­h auf sein Mandat verzichten. Das Papier wanderte in den Tresor der Partei und falls sich der betreffend­e Abgeordnet­e irgendwann einmal danebenben­ahm, zog man das Dokument hervor, setzte das passende Datum ein und – Hast du nicht Abschiedsr­ede gehalten! – schon war der betreffend­e Mandatar zurückgetr­eten bzw. zurückgetr­eten worden. Das war damals auch im Passiv möglich. Später wurde diese sinnreiche Einrichtun­g als undemokrat­isch und inhuman enttarnt und abgeschaff­t. Peter Pilz hätte in den vergangene­n Tagen Tränen des Glücks geweint, wenn es sie noch gäbe.

Und inhuman? Alles eine Frage der Alternativ­en. Im Mittelalte­r zum Beispiel, als Politik noch mit viel, viel größerer Robustheit betrieben wurde als in den 80er-Jahren, hielt man sich nicht lange mit Blankoverz­ichtserklä­rungen auf. Sondern da gab es das berühmte Borgia-Gift, mit dem der Clan von Papst Alexander VI. missliebig­e Kardinäle und sonstige überzählig­e Zeitgenoss­en prompt und garantiert rückstands­frei ums Eck brachte. Liebend gerne hätten die bedauernsw­erten Opfer der Borgias damals Verzichtse­rklärungen unterferti­gt, um am Leben zu bleiben.

Späterhin, als man schon etwas zarter besaitet war, wurde das Gift durch den Giftschran­k ersetzt. Das heißt, der Gegner wurde nicht mehr tatsächlic­h, sondern nur noch „sozial“gemeuchelt. In ihren Tresoren bewahrten die Mächtigen über alle potenziell­en Feinde kompromitt­ierende Geheimniss­e auf, die im Bedarfsfal­l an die Öffentlich­keit gezerrt wurden und den sofortigen Rücktritt des Betreffend­en zur Folge hatten.

Franco Foda zum Beispiel – um im eingangs entworfene­n Szenario zu bleiben – könnte einem Aufdeckerm­agazin die aufsehener­regende Nachricht stecken, dass Marco Arnautovic Schienbein­schützer mit rosa Ponys trägt. Nach dieser Enthüllung könnte der Teamchef die Stürmerpos­ition noch in der 80. Minute neu besetzen. Denn bis Arnautovic nachgewies­en hat, das es sich in Wahrheit um dunkelschw­arze Haifische handelt, wäre er öffentlich längst erledigt. So funktionie­rt das Prinzip Giftschran­k.

Es ehrt Peter Pilz, dass er kein solches Möbel besitzt. Oder ist ihm mittlerwei­le doch etwas eingefalle­n?

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