Von Luft und Lennon
Analyse. Hamburg sperrt zwei Straßen für alte Diesel. Deshalb lässt keiner sein Auto stehen.
John Lennon würde wahrscheinlich lachen über die Fahrverbote in Hamburg. Seit vergangener Woche sind dort zwei Straßen für ältere Dieselautos gesperrt. Es sind in etwa zwei Kilometer. Die Fahrer der alten Stinker nehmen seitdem entweder Umwege oder ignorieren das Verbot, weil es nur schwierig, nämlich nur durch einen Blick in die Fahrzeugpapiere, zu kontrollieren ist. Bei den Anwohnern reichten die Reaktionen in den ersten Tagen von Desinteresse bis Wut. Die Sinnhaftigkeit des Verbots ist für viele kaum zu erkennen. Und der große Wurf ist es tatsächlich nicht. Visionen klingen größer. Stellt euch vor, wie die Welt ohne feindliche Länder wäre, ohne Gier, ohne Besitztümer, ohne Religionen. So malte sich John Lennon die Welt in seinem Song „Imagine“aus. Imagine there’s no Diesel. And no Benziner too. Das Hamburger Fahrverbot ist ein kleiner Schritt, der klarmacht, dass man sich nichts Größeres vorgenommen hat. Statt ein echtes Vorbild für belastete Städte zu sein, betreibt man Symbolpolitik. 1787 der insgesamt 1,8 Millionen Hamburger profitieren. Und der Rest? Verliert. Denn die Fahrverbote sind lediglich ein Zahlenspiel statt eine nachhaltige Maßnahme für saubere Luft. 40 Mikrogramm Stickstoffdioxid pro Kubikmeter Luft erlaubt der von der EU festgelegte Grenzwert. Nicht nur in Hamburg, sondern in 65 deutschen Städten wird dieser überschritten. Um die Emissionen unter den Grenzwert zu drücken, wird der Verkehr in Hamburg in weniger belastete Straßen geführt. Den Anwohnern dort werden dann mehr Stickoxide als zuvor zugemutet. Man verteilt die Emissionen also gleichmäßig übers Stadtgebiet, statt sie zu verringern.
Wagen wir zu träumen, was Hamburg stattdessen tun könnte. Stellen wir uns vor, dass die gesamte Hamburger Innenstadt für ältere Dieselautos gesperrt wird. Und dass es so viele Alternativen gibt, dennoch mobil zu sein, dass das keinem wehtut. Dass die Menschen nicht auf Benziner umsteigen, die mit ihrem CO2-Ausstoß auch nicht viel besser sind, sondern auf Öffis, auf Fahrräder, auf Hybride, auf Elektroautos. Dass sie sich Autos teilen, statt sie zu besitzen. Dass ihnen also nicht unbedingt eines gehört, sie aber eines haben, wenn sie eines brauchen. Stellen wir uns vor, dass es nicht die Autofahrer sind, die die Misere ausbaden und bezahlen müssen, sondern dass endlich die Verursacher zur Verantwortung gezogen werden. Dass Autohersteller ältere Modelle nachrüsten müssen, saubere Antriebe entwickeln und massentaugliche E-Autos auf den Markt bringen. Sie können das, sie wollen nur nicht.
Stellen wir uns vor, dass sich die Politik nicht länger davor drückt, sich deswegen mit ihnen anzulegen. Deutschlands Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) wagt es gerade. Berechnungen ihres Ministeriums zufolge würden Hardware-Nachrüstungen von älteren Autos in den 17 am stärksten belasteten Städten in Deutschland die Autohersteller 2,9 Milliarden Euro kosten. „Nimmt man jeweils das Pendler-Umland dazu, kommt man auf 4,4 Milliarden Euro“, sagt Schulze und fordert ein, dass die etwa 3000 Euro, die das Nachrüsten pro Fahrzeug kostet, von den Herstellern bezahlt werden. Stellen wir uns vor, dass die Frau sich durchsetzt und die Autoindustrie endlich für ihre Tricksereien geradestehen muss.
Nun werden Sie vielleicht sagen, ich sei eine Träumerin. But I’m not the only one.