Turbulenzen im Träumeland
ICHschlafe gern. Besonders nachts. Wenn die tägliche To-do-Liste vom Kopf in den Polster sinkt und von dort in die Matratze … so schnell können Sie gar nicht „Gute Nacht“sagen, bin ich schon im Träumeland. Dort verweile ich lang und genüsslich – so nichts dazwischenkommt. Womit wir beim Kern des Problems wären. Es kommt nämlich was dazwischen, ständig.
Kurz nach meinem Umzug in die neue Wohnung fing das an. Da erwachte aus unergründlichen Gründen stets gegen vier Uhr früh die Leidenschaft der Nachbarn oberbei – und ich. Was tun? Die ersten 20 Mal versuchte ich das amouröse nächtliche Hörspiel zu ignorieren – ohne Erfolg. Also verlegte ich mich auf das Imitieren diverser Tonlagen, um darauf aufmerksam zu machen, dass wir akustisch sozusagen ein Schlafzimmer teilen. Das half. Und der ohnehin baldige Auszug der beiden Liebenden – sie erwarteten Nachwuchs und brauchten mehr Platz. Ich atmete auf.
Und schlief künftig bis fünf Uhr. Dann nämlich drängte sich der Klang der Kirchenglocken gegenüber wie eine Abrissbirne in mein Träumeland. DongDong-Dong-Dong-Dong. Jede darauffolgende Viertelstunde informierte mich die katholische Kirche darüber, dass ich immer noch nicht wieder eingeschlafen war. Ich brauche Ihnen nicht zu sagen, dass sich Ärger wenig entspannend auf das zentrale Nervensystem auswirkt.
Also schrieb ich ein Mail an meine Nachbarn und bot an, all jenen, die tatsächlich um fünf Uhr aufstehen wollten, einen Wecker zu kaufen, und bat im Gegenzug darum, den Weckruf der Glocken etwas nach hinten zu verschieben. Dem Himmel und den wahrlich barmherzigen Schwestern von gegenüber sei Dank! Die Glocken läuten nun um sieben Uhr. Und ich höre sie nicht mehr. Punkt sieben nämlich erwacht die Baustelle vor dem Balkon zum Leben. Bevor die Bauarbeiter aber die schweren Geräte einschalten, postieren sie einen Lautsprecher auf dem soeben herausgestampften Flachdach. Helene Fischer kämpft dann mit Betonmischern und dem lautstark kommandierenden Polier um die akustische Oberhoheit in meinem Schlafzimmer. Ich dagegen klammere mich an meinen Polster und meine letzte Hoffnung: Schäfchenzählen. Spätestens wenn diese Gestalt annehmen und ich bei genauerem Hinsehen Helene Fischer erkenne, die da immer wieder mit weißer Wuschelmähne atemlos über den Zaun hüpft, weiß ich, dass ich verloren habe. Ich stehe dann meistens auf und schreie, so laut ich kann.
Das Einzige, was nach so einer Nacht milde stimmen kann: Wenn ich den Vorhang einen Spaltbreit aufziehe, blinzle und die gestandenen Fischer-Fans in Helm und Overall gerade in Tanzlaune sind. Ein Traum.