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Kira Grünbergs neue Küche
Kleine Ursache, große Wirkung. Im Herbst des Vorjahres wurde die 2015 verunglückte ehemalige Stabhochspringerin Kira Grünberg zum Kochen in den Wohnpoint von Küchenplaner Kurt Kitzberger nach Linz eingeladen. Gemeinsam mit einem professionellen Koch sollte sie – wie schon andere Promis vor ihr – dort kochen. „Wir kannten schon die Abläufe, wie solche Veranstaltungen vor sich gehen. Doch dann stellte sich die Frage: Wie erreicht Kira die Arbeitsfläche?“, erzählt Kitzberger. Die querschnittsgelähmte Ex-Sportlerin ist ja auf die Hilfe eines Rollstuhls angewiesen. „Wir haben dann beschlossen, ein Podest zu bauen“, erzählt der Küchenplaner weiter. „Aber dann die nächste Frage: Wie kommt sie da rauf?“Als das Podest schließlich stand, konnten allerdings die unteren Laden der Küche nicht mehr geöffnet werden.
„Wir sind dann auf die Idee gekommen, eine barrierefreie Küche zu entwerfen“, erzählt Kira Grünberg. Sie sollte ihre Ideen und Anforderungen einbringen, Kitzberger das Ganze realisieren. Grünberg: „Es gibt zwar schon Küchen für Behinderte, aber die sehen alle nach Krankenhaus aus. Aber ich bin jung, will auch vom Design her eine zeitgemäße Küche.“
Eine wesentliche Anforderung für einen Rollstuhlfahrer ist die sogenannte Unterfahrbarkeit der Möbel. Das bedeutet, dass man mit dem Rollstuhl unter die Tische und Kästen fahren können muss. Für die Arbeitsebene war die Lösung eine elektrisch höhenverstellbare Kochinsel. Auch die Armatur für die Abwasch musste leicht erreichbar und bedienbar sein.
„Weil ich meine Finger nicht bewegen kann, war das Öffnen der Kästen und Schubladen das nächste Problem“, erzählt Grünberg, „entweder brauchen sie große Griffe oder müssen durch Druck zu öffnen sein.“Das Hauptproblem war dabei der Kühlschrank, weil der auch noch die Tür „ansaugt“. Jetzt kann die Sportlerin die Kühlschranktür durch Druck ein bisschen öffnen und dann mit der Hand nach außen ziehen. Den Kühlschrank kann sie ebenso unterfahren wie den Geschirrspüler und das Backrohr. Eine Arbeitsfläche gleich neben dem Kühlschrank ist ausziehbar, damit keine unnötigen Wege entstehen.
Und auch die Hängekästen mussten völlig neu gedacht werden. Der Stauraum dort ist besonders wichtig, weil ja viele Unterschränke der Unterfahrbarkeit wegen wegfallen. Die Lösung: Ein normal großer Mensch kann die Hängekästen wie gewohnt per Druck auf die Front öffnen. Will Kira an die Sachen aus dem Kasten, kann sie das „Innenleben“komplett via Taste elektrisch nach unten fahren. Die Steuerung ist so eingestellt, dass sie bei eventuellen Hindernissen, etwa Geschirr oder Ähnlichem auf der Arbeitsfläche darunter, stehen bleibt.
„Ich koche gerne“, erzählt Grünberg. Das geht nun nicht mehr im vollen Umfang. Mithilfe dieser neuartigen Küche kann sie aber mit anderen Menschen zusammen kochen. „Die Elemente sind ja nicht nur für Rollstuhlfahrer konzipiert“, erklärt die Sportlerin, die neuerdings auch ein Nationalratsmandat innehat: „Auch Pärchen mit stark unterschiedlicher Körpergröße können die Vorteile nutzen.“Ältere Menschen, Rollatorbenutzer, Schlaganfallpatienten etc. ohnehin auch.
Für Kurt Kitzberger war die Entwicklung dieser Küche, die auch den Namen „Kira“trägt, eine doppelte Herausforderung: einerseits wegen der ungewöhnlichen Planung, andererseits wegen des überschaubaren Interesses der Industrie. „Unsere Vorgabe war, eine Küche zu entwickeln, die mit einer ,normalen‘ Variante hinsichtlich Funktion, Design und Preis mithalten kann“, betont Kitzberger. Das jetzige Schaustück in Linz basiere auf einer gängigen Dan-Küche, die im nahen Mühlviertel gefertigt werde, sei aber mit Spezialbeschlägen aus Schweden ausgestattet. Diese ermöglichen die erwähnten Funktionen, wie Höhenverstellbarkeit, Druck-Öffnungen etc. Kitzberger: „Wir feiern heuer unser 30-Jahr-Firmenjubiläum. Gemeinsam mit meiner Frau haben wir beschlossen, keine Fest zu veranstalten, sondern das Geld in die Entwicklung der Kira-Küche zu stecken.“30.000 Euro hat sich der Oberösterreicher diese Entwicklung kosten lassen. Er geht nun auch in die Offensive, um das Modell den Menschen schmackhaft zu machen. Auch er betont, dass die Vorzüge durchaus auch für Menschen praktisch sind, die keine Handicaps haben. „Wir haben eine Kundin beraten, die an Multipler Sklerose erkrankt ist. Es geht ihr jetzt gut, aber sie kann sich so darauf einrichten, dass ihre körperlichen Möglichkeiten vielleicht eines Tages nicht mehr so groß sein werden wie heute.“Marktpotenzial für die Kira-Küche sieht Kitzberger also ausreichend, auch wenn es nie die großen Stückzahlen geben wird. Eben deshalb sind solche Lösungen für industrielle Hersteller wenig interessant. Am Preis sollte das Ganze jedenfalls nicht scheitern: „Die Küche kostet, so wie sie hier steht, 18.433 Euro und liegt damit in einem für Küchen üblichen Preisrahmen.“