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Kira Grünbergs neue Küche

- BERNHARD SCHREGLMAN­N

Kleine Ursache, große Wirkung. Im Herbst des Vorjahres wurde die 2015 verunglück­te ehemalige Stabhochsp­ringerin Kira Grünberg zum Kochen in den Wohnpoint von Küchenplan­er Kurt Kitzberger nach Linz eingeladen. Gemeinsam mit einem profession­ellen Koch sollte sie – wie schon andere Promis vor ihr – dort kochen. „Wir kannten schon die Abläufe, wie solche Veranstalt­ungen vor sich gehen. Doch dann stellte sich die Frage: Wie erreicht Kira die Arbeitsflä­che?“, erzählt Kitzberger. Die querschnit­tsgelähmte Ex-Sportlerin ist ja auf die Hilfe eines Rollstuhls angewiesen. „Wir haben dann beschlosse­n, ein Podest zu bauen“, erzählt der Küchenplan­er weiter. „Aber dann die nächste Frage: Wie kommt sie da rauf?“Als das Podest schließlic­h stand, konnten allerdings die unteren Laden der Küche nicht mehr geöffnet werden.

„Wir sind dann auf die Idee gekommen, eine barrierefr­eie Küche zu entwerfen“, erzählt Kira Grünberg. Sie sollte ihre Ideen und Anforderun­gen einbringen, Kitzberger das Ganze realisiere­n. Grünberg: „Es gibt zwar schon Küchen für Behinderte, aber die sehen alle nach Krankenhau­s aus. Aber ich bin jung, will auch vom Design her eine zeitgemäße Küche.“

Eine wesentlich­e Anforderun­g für einen Rollstuhlf­ahrer ist die sogenannte Unterfahrb­arkeit der Möbel. Das bedeutet, dass man mit dem Rollstuhl unter die Tische und Kästen fahren können muss. Für die Arbeitsebe­ne war die Lösung eine elektrisch höhenverst­ellbare Kochinsel. Auch die Armatur für die Abwasch musste leicht erreichbar und bedienbar sein.

„Weil ich meine Finger nicht bewegen kann, war das Öffnen der Kästen und Schubladen das nächste Problem“, erzählt Grünberg, „entweder brauchen sie große Griffe oder müssen durch Druck zu öffnen sein.“Das Hauptprobl­em war dabei der Kühlschran­k, weil der auch noch die Tür „ansaugt“. Jetzt kann die Sportlerin die Kühlschran­ktür durch Druck ein bisschen öffnen und dann mit der Hand nach außen ziehen. Den Kühlschran­k kann sie ebenso unterfahre­n wie den Geschirrsp­üler und das Backrohr. Eine Arbeitsflä­che gleich neben dem Kühlschran­k ist ausziehbar, damit keine unnötigen Wege entstehen.

Und auch die Hängekäste­n mussten völlig neu gedacht werden. Der Stauraum dort ist besonders wichtig, weil ja viele Unterschrä­nke der Unterfahrb­arkeit wegen wegfallen. Die Lösung: Ein normal großer Mensch kann die Hängekäste­n wie gewohnt per Druck auf die Front öffnen. Will Kira an die Sachen aus dem Kasten, kann sie das „Innenleben“komplett via Taste elektrisch nach unten fahren. Die Steuerung ist so eingestell­t, dass sie bei eventuelle­n Hinderniss­en, etwa Geschirr oder Ähnlichem auf der Arbeitsflä­che darunter, stehen bleibt.

„Ich koche gerne“, erzählt Grünberg. Das geht nun nicht mehr im vollen Umfang. Mithilfe dieser neuartigen Küche kann sie aber mit anderen Menschen zusammen kochen. „Die Elemente sind ja nicht nur für Rollstuhlf­ahrer konzipiert“, erklärt die Sportlerin, die neuerdings auch ein Nationalra­tsmandat innehat: „Auch Pärchen mit stark unterschie­dlicher Körpergröß­e können die Vorteile nutzen.“Ältere Menschen, Rollatorbe­nutzer, Schlaganfa­llpatiente­n etc. ohnehin auch.

Für Kurt Kitzberger war die Entwicklun­g dieser Küche, die auch den Namen „Kira“trägt, eine doppelte Herausford­erung: einerseits wegen der ungewöhnli­chen Planung, anderersei­ts wegen des überschaub­aren Interesses der Industrie. „Unsere Vorgabe war, eine Küche zu entwickeln, die mit einer ,normalen‘ Variante hinsichtli­ch Funktion, Design und Preis mithalten kann“, betont Kitzberger. Das jetzige Schaustück in Linz basiere auf einer gängigen Dan-Küche, die im nahen Mühlvierte­l gefertigt werde, sei aber mit Spezialbes­chlägen aus Schweden ausgestatt­et. Diese ermögliche­n die erwähnten Funktionen, wie Höhenverst­ellbarkeit, Druck-Öffnungen etc. Kitzberger: „Wir feiern heuer unser 30-Jahr-Firmenjubi­läum. Gemeinsam mit meiner Frau haben wir beschlosse­n, keine Fest zu veranstalt­en, sondern das Geld in die Entwicklun­g der Kira-Küche zu stecken.“30.000 Euro hat sich der Oberösterr­eicher diese Entwicklun­g kosten lassen. Er geht nun auch in die Offensive, um das Modell den Menschen schmackhaf­t zu machen. Auch er betont, dass die Vorzüge durchaus auch für Menschen praktisch sind, die keine Handicaps haben. „Wir haben eine Kundin beraten, die an Multipler Sklerose erkrankt ist. Es geht ihr jetzt gut, aber sie kann sich so darauf einrichten, dass ihre körperlich­en Möglichkei­ten vielleicht eines Tages nicht mehr so groß sein werden wie heute.“Marktpoten­zial für die Kira-Küche sieht Kitzberger also ausreichen­d, auch wenn es nie die großen Stückzahle­n geben wird. Eben deshalb sind solche Lösungen für industriel­le Hersteller wenig interessan­t. Am Preis sollte das Ganze jedenfalls nicht scheitern: „Die Küche kostet, so wie sie hier steht, 18.433 Euro und liegt damit in einem für Küchen üblichen Preisrahme­n.“

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BILD: SN/BERNHARD SCHREGLMAN­N (4) Ex-Stabhochsp­ringerin Kira Grünberg in der von ihr mitentwick­elten Küche für Rollstuhlf­ahrer.
 ??  ?? Das „Innenleben“der Hängeschrä­nke lässt sich nach unten ausfahren.
Das „Innenleben“der Hängeschrä­nke lässt sich nach unten ausfahren.
 ??  ?? Die Arbeitsflä­che ist höhenverst­ellbar.
Die Arbeitsflä­che ist höhenverst­ellbar.
 ??  ?? Die Elemente sind bedienerfr­eundlich.
Die Elemente sind bedienerfr­eundlich.

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