Kulinarium
Der gastronomische Asterix von Braunau
Wer es nicht gesehen hat, der glaubt es kaum. Deshalb zeigen wir Ihnen rechts unten das Ober-Gut aus der Vogelperspektive. Seit mehr als 300 Jahren findet hier die Familie Ober ihr Auslangen. Früher lag das Gut noch außerhalb der Stadt. Heute ist es von Wohnund Gewerbegebieten umzingelt. Die Obers lässt das kalt. Sie pflegen ihren Flecken Erde wie eh und je. Nur 2011 kam es zu einer kleinen Veränderung. Der Besitzer Thomas Ober war jetzt nicht mehr „nur“Land-, sondern plötzlich auch Gastwirt. Also eine Art „Doppel-Wirt“. Um die Qualität dieses Berufs herauszustreichen, hat er einfach den Bindestrich aus dem Namen des Guts herausgestrichen. Es heißt jetzt „Obergut“. Warum? „Gut, besser, Obergut“, sagt er. Bis 2004 gab es hier noch Stiermast. Aber schon 1997 erkannten der junge Landwirt und sein Vater Hubert das wirtschaftliche Potenzial des Apfels. Wohlgemerkt: Apfel und nicht Apple. „Aktien sind schnelllebig. Pflanzen sind das Leben“, sagt er. Deshalb habe er Obstbäume gepflanzt. Die entwickelten sich prächtig. Inzwischen wachsen auf seinem Feld Kürbisse, Kümmel, Mohn, Speckbirnen und natürlich Äpfel mit so märchenhaft klingenden Namen wie Boskop, Pilot, Remo, Topaz oder Alkmene. Er presst sie zu Most oder destilliert sie zu Schnäpsen. Die sind inzwischen mehrfach ausgezeichnet. In Braunau kennt man sie nur unter dem Namen „Zaubertrank“. Most ist wegen des enthaltenen Pektins ein exzellenter Blutdruck- und Cholesterinsenker. Und die Schnäpse gelten in Maßen genossen sowieso als Medizin.
„Es sieht nach einem guten Obstjahr aus“, sagt Ober. Zufriedene Bauern trifft man selten. Obwohl: Richtig unzufrieden ist Ober nicht einmal nach einer Katastrophe. So wie im März 2008, als der Sturm „Emma“viele Bäume seines Waldes umgeknickt hat. „Das Holz war nichts mehr wert“, erinnert er sich. Aber das habe ihn auf eine gute Idee gebracht, aus der dann sein „Obergut“wurde: „Wenn die Bäume schon gratis gefällt wurden“, so erinnert er sich, „dann kann ich ja Böden und Möbel daraus machen“, sagt er. Denn damals habe er schon mit dem Gedanken gespielt, eine Mostschenke zu eröffnen. Mit dem Sturm sind die Würfel gefallen. „Sturm und Most. Da wächst zusammen, was zusammengehört“, sagt er.
Auch mit den Bienen hat er kein Problem. „Wir haben rundherum vier Bienenvölker“, sagt Thomas. „Die leisten perfekte Arbeit, weil sie blütentreu sind. Das heißt, sie fliegen von Apfelblüte zu Apfelblüte und geben erst Ruhe, wenn ihr Apfel-Job erledigt ist.“
Die Buschenschenke läuft auch wie geschmiert. Hier ist schon die Wahl des Sitzplatzes eine Lebensanschauung. Zumindest erklärt uns das Ober so: „Das Gewölbe der Gaststube ist 250 Jahre alt. Da standen früher 100 Rindviecher drin.“
Und was war der lichtdurchflutete Wintergarten? „Das war der Auslauf der Rindviecher.“Und der Gastgarten, wo wir jetzt sitzen? Mit diesem herrlichen Blick über die Obstbäume zur malerischen Altstadt, also dorthin, wo die Stephanskirche emporragt? „Das war der Misthaufen.“In der Küche werkt Ulrike, Thomas’ Ehefrau. Die Karte ist groß und klug zusammengestellt. Es gibt kleine Gerichte wie Brettl-Jausen, Brot und Aufstriche sowie andere Spezialitäten wie Apfelschmalz. Dabei handelt es sich um Grammelschmalz, das mit Äpfeln eingekocht wurde. Auch Klassiker wie Gulasch, Kaspressknödel, Schweinsbraten, Innviertler Knödel und BlunznGröstl schmecken so, wie sie auf der Karte stehen: nach Frische und Handarbeit. Geöffnet hat Ober für seine Gäste übrigens von Donnerstag bis Samstag. Die restlichen Tage benötigt er für die Landwirtschaft.
Wir wollen noch von ihm wissen, ob er nicht doch einmal sein Anwesen verkaufen wird – bei all der Arbeit? Ober sagt: „Wenn deine Vorfahren so lang von diesem Fleck gelebt haben, dann hast du eine Verantwortung. Die verkauft man nicht – die übernimmt man.“Thomas Ober ist eben lieber ein kleiner Herr als ein großer Sklave.
Dafür kann er die Bank, auf der wir jetzt im Obergut sitzen, „Oberbank“nennen. Und nach wem „Oberösterreich“benannt wurde, das fragen Sie ihn besser selbst.