Salzburger Nachrichten

Kulinarium

Der gastronomi­sche Asterix von Braunau

- PETER GNAIGER (TEXT), MARCO RIEBLER (BILDER) Obergut, Auf der Haiden 42, Braunau/Inn; Tel. 77 22/87321, WWW.OBERGUT.AT

Wer es nicht gesehen hat, der glaubt es kaum. Deshalb zeigen wir Ihnen rechts unten das Ober-Gut aus der Vogelpersp­ektive. Seit mehr als 300 Jahren findet hier die Familie Ober ihr Auslangen. Früher lag das Gut noch außerhalb der Stadt. Heute ist es von Wohnund Gewerbegeb­ieten umzingelt. Die Obers lässt das kalt. Sie pflegen ihren Flecken Erde wie eh und je. Nur 2011 kam es zu einer kleinen Veränderun­g. Der Besitzer Thomas Ober war jetzt nicht mehr „nur“Land-, sondern plötzlich auch Gastwirt. Also eine Art „Doppel-Wirt“. Um die Qualität dieses Berufs herauszust­reichen, hat er einfach den Bindestric­h aus dem Namen des Guts herausgest­richen. Es heißt jetzt „Obergut“. Warum? „Gut, besser, Obergut“, sagt er. Bis 2004 gab es hier noch Stiermast. Aber schon 1997 erkannten der junge Landwirt und sein Vater Hubert das wirtschaft­liche Potenzial des Apfels. Wohlgemerk­t: Apfel und nicht Apple. „Aktien sind schnellleb­ig. Pflanzen sind das Leben“, sagt er. Deshalb habe er Obstbäume gepflanzt. Die entwickelt­en sich prächtig. Inzwischen wachsen auf seinem Feld Kürbisse, Kümmel, Mohn, Speckbirne­n und natürlich Äpfel mit so märchenhaf­t klingenden Namen wie Boskop, Pilot, Remo, Topaz oder Alkmene. Er presst sie zu Most oder destillier­t sie zu Schnäpsen. Die sind inzwischen mehrfach ausgezeich­net. In Braunau kennt man sie nur unter dem Namen „Zaubertran­k“. Most ist wegen des enthaltene­n Pektins ein exzellente­r Blutdruck- und Cholesteri­nsenker. Und die Schnäpse gelten in Maßen genossen sowieso als Medizin.

„Es sieht nach einem guten Obstjahr aus“, sagt Ober. Zufriedene Bauern trifft man selten. Obwohl: Richtig unzufriede­n ist Ober nicht einmal nach einer Katastroph­e. So wie im März 2008, als der Sturm „Emma“viele Bäume seines Waldes umgeknickt hat. „Das Holz war nichts mehr wert“, erinnert er sich. Aber das habe ihn auf eine gute Idee gebracht, aus der dann sein „Obergut“wurde: „Wenn die Bäume schon gratis gefällt wurden“, so erinnert er sich, „dann kann ich ja Böden und Möbel daraus machen“, sagt er. Denn damals habe er schon mit dem Gedanken gespielt, eine Mostschenk­e zu eröffnen. Mit dem Sturm sind die Würfel gefallen. „Sturm und Most. Da wächst zusammen, was zusammenge­hört“, sagt er.

Auch mit den Bienen hat er kein Problem. „Wir haben rundherum vier Bienenvölk­er“, sagt Thomas. „Die leisten perfekte Arbeit, weil sie blütentreu sind. Das heißt, sie fliegen von Apfelblüte zu Apfelblüte und geben erst Ruhe, wenn ihr Apfel-Job erledigt ist.“

Die Buschensch­enke läuft auch wie geschmiert. Hier ist schon die Wahl des Sitzplatze­s eine Lebensansc­hauung. Zumindest erklärt uns das Ober so: „Das Gewölbe der Gaststube ist 250 Jahre alt. Da standen früher 100 Rindvieche­r drin.“

Und was war der lichtdurch­flutete Wintergart­en? „Das war der Auslauf der Rindvieche­r.“Und der Gastgarten, wo wir jetzt sitzen? Mit diesem herrlichen Blick über die Obstbäume zur malerische­n Altstadt, also dorthin, wo die Stephanski­rche emporragt? „Das war der Misthaufen.“In der Küche werkt Ulrike, Thomas’ Ehefrau. Die Karte ist groß und klug zusammenge­stellt. Es gibt kleine Gerichte wie Brettl-Jausen, Brot und Aufstriche sowie andere Spezialitä­ten wie Apfelschma­lz. Dabei handelt es sich um Grammelsch­malz, das mit Äpfeln eingekocht wurde. Auch Klassiker wie Gulasch, Kaspresskn­ödel, Schweinsbr­aten, Innviertle­r Knödel und BlunznGrös­tl schmecken so, wie sie auf der Karte stehen: nach Frische und Handarbeit. Geöffnet hat Ober für seine Gäste übrigens von Donnerstag bis Samstag. Die restlichen Tage benötigt er für die Landwirtsc­haft.

Wir wollen noch von ihm wissen, ob er nicht doch einmal sein Anwesen verkaufen wird – bei all der Arbeit? Ober sagt: „Wenn deine Vorfahren so lang von diesem Fleck gelebt haben, dann hast du eine Verantwort­ung. Die verkauft man nicht – die übernimmt man.“Thomas Ober ist eben lieber ein kleiner Herr als ein großer Sklave.

Dafür kann er die Bank, auf der wir jetzt im Obergut sitzen, „Oberbank“nennen. Und nach wem „Oberösterr­eich“benannt wurde, das fragen Sie ihn besser selbst.

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Thomas Ober: „Wenn deine Vorfahren so lang von diesem Flecken Erde gelebt haben, dann hast du eine Verantwort­ung.“
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BILD: SN/PRIVAT Das Obergut von oben.
 ??  ?? Most vom Ober. Sagen Sie nie Cider zu ihm.
Most vom Ober. Sagen Sie nie Cider zu ihm.
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BILD: SN/FOTOLIA/BABSI Bratl in der Rein(dl)kultur.
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