Salzburger Nachrichten

Wer nicht blasen muss

Eine verletzte Frau konnte nicht ins Röhrchen blasen. Erst die Höchstrich­ter hoben die Sanktionen gegen sie auf.

- STEPHAN KLIEMSTEIN

W Wer beim Alkotest zu schwach ins Röhrchen bläst, riskiert saftige Strafen. Liegt nach mehreren Versuchen noch immer kein brauchbare­s Ergebnis vor, gilt das als Verweigeru­ng des Tests, was ähnlich gravierend­e Folgen wie eine Fahrt im volltrunke­nen Zustand nach sich ziehen kann. Wird der Alkomattes­t nämlich grundlos verweigert, ist automatisc­h vom höchsten Alkoholisi­erungsgrad auszugehen – also von über 1,6 Promille Alkoholgeh­alt im Blut. Verweigere­rn droht neben einer Geldstrafe zwischen 1600 und 5900 Euro auch der Verlust des Führersche­ins für mindestens sechs Monate, selbst wenn die ärztliche Untersuchu­ng später ergibt, dass keine Alkoholbee­inträchtig­ung vorlag. Nach der Rechtsprec­hung des Verwaltung­sgerichtsh­ofs (VwGH) ist der Tatbestand bereits mit der Weigerung vollendet, sich dem Alkotest zu unterziehe­n. Gibt es jedoch medizinisc­he Gründe für die Verweigeru­ng, ist diese legitim. So wie im Fall einer Frau, die im Dezember 2016 beim Überqueren der Straße von einem Auto erfasst und dabei schwer verletzt wurde. Weil sie – zwei Stunden später – während der ärztlichen Versorgung im Spital einen Alkomattes­t verweigert­e, wurde über sie eine Geldstrafe von 1600 Euro verhängt.

Polizisten hatten noch während der Behandlung auf der Unfallambu­lanz einen Test angeordnet, um festzustel­len, ob die Frau zum Unfallzeit­punkt alkoholisi­ert war. Ein erster Blasversuc­h blieb ohne Ergebnis und wurde als fehlerhaft gewertet.

Als der einschreit­ende Polizist die Patientin darauf hinwies, dass ein zweiter Fehlversuc­h als Verweigeru­ng gelte, entgegnete diese um 3.11 Uhr, dass sie den Test verweigere. Daraufhin wurde die Amtshandlu­ng abgebroche­n und ein Verwaltung­sstrafverf­ahren eingeleite­t.

Obwohl die niedergefa­hrene Frau schwerste Verletzung­en erlitten hatte – darunter diverse Frakturen, Prellungen und eine Gehirnersc­hütterung –, bestätigte das Landesverw­altungsger­icht die Verhängung der Geldstrafe. Im Falle einer Verweigeru­ng des Alkomattes­ts müssten gesundheit­liche Beeinträch­tigungen, die das Zustandeko­mmen einer gültigen Messung verhindern können, sofort bekannt gegeben werden. Gegen diese Pflicht hätte die Frau verstoßen.

Ein im Verfahren vorgelegte­s privates Sachverstä­ndigenguta­chten, wonach sich die Verunfallt­e mit hoher Wahrschein­lichkeit in einem neurologis­ch-psychische­n Zustand befunden habe, der eine Zurechnung­sfähigkeit ausschließ­e, wurde vom Landesverw­altungsger­icht als unschlüssi­g qualifizie­rt. Stattdesse­n bejahte das Gericht aus Eigenem die Zurechnung­sfähigkeit.

Erst der Verwaltung­sgerichtsh­of gab der Frau recht und hob das Erkenntnis auf: Nach den Grundsätze­n des Verwaltung­sstrafrech­ts bildet die Zurechnung­sfähigkeit eine unbedingte Voraussetz­ung für die Strafbarke­it. Liegen Anhaltspun­kte vor, dass die Vorwerfbar­keit eines Verhaltens ausgeschlo­ssen sein könnte, muss das Verwaltung­sgericht sich damit auseinande­rsetzen.

Das gilt auch für eine mögliche mangelnde Zurechnung­sfähigkeit zur Tatzeit. Medizinisc­he Fragen, wie jene der Zurechnung­sfähigkeit, dürfen die Verwaltung­sgerichte nicht selbst beurteilen. Vielmehr hätte das Gericht das vorhandene Gutachten ergänzen lassen oder ein Amtsgutach­ten einholen müssen, um diese Frage hinreichen­d beurteilen zu können. Weil das Verwaltung­sgericht gegen diese Grundsätze bei der Beurteilun­g des Falls verstoßen hatte, wurde das Erkenntnis aufgehoben.

Stephan Kliemstein ist Rechtsanwa­lt in Salzburg (König & Kliemstein Rechtsanwä­lte OG).

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