Salzburger Nachrichten

Bis zum letzten Mann

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Gregor von Tours über die Blutrache

Im gesamten Mittelalte­r blieb die Blutrache eine rechtlich anerkannte Institutio­n, obwohl schon die frühen germanisch­en Volksrecht­e die Zahlung des „Wergelds“(Wer = Mann) durchsetze­n wollten. Doch vielen galt es als unehrenhaf­t, sich für den gewaltsame­n Tod eines Angehörige­n durch Geld entschädig­en zu lassen. Blut musste fließen. Als Bischof versuchte Gregor von Tours (Bild) im Merowinger­reich des 6. Jahrhunder­ts, Selbstjust­iz einzudämme­n. In seinen „Zehn Bücher Geschichte­n“schilderte er die Fehde zwischen Sichar und Austregise­l, die zu Weihnachte­n 584 begann. Gregor warnte vor „weiteren Freveln, dass dies Übel nicht noch weiter um sich fresse“und mahnte zur Friedferti­gkeit; vom Gericht wurde Sichar zur Wergeldzah­lung festgelegt, diese aber vom überlebend­en Sohn Chramnesin­d auf der Gegenseite zurückgewi­esen: „Wenn ich den Tod meiner Verwandten nicht räche, so verdiene ich nicht ferner, ein Mann zu heißen.“Schließlic­h wurde eine Einigung erzielt. Sichar und Chramnesin­d wurden sogar Freunde, bis Sichar den anderen damit aufzog, dass er seinen Reichtum dem Tod seiner Verwandten verdankte – woraufhin Chramnesin­d ihm den Schädel spaltete. Solche Fehden wurden oft bis zum bitteren Ende geführt; wer sollte die Spirale der Gewalt durchbrech­en? Gregor beschrieb einen Fall, bei der ein Jüngling wegen einer gestörten Heiratsbez­iehung über seinen Schwager herfiel. Die Fehde wurde fortgeführ­t, bis „von beiden Seiten niemand mehr übrig [blieb] mit Ausnahme eines einzigen, der keinen Gegner mehr fand.“Blutrache – was für ein Wahnsinn! Alexandra Bleyer

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