Salzburger Nachrichten

71 Menschen erstickten 2015 in einem Kühllaster. 14 Verdächtig­e sind angeklagt. Am Donnerstag sollen die Urteile fallen.

59 Männer, acht Frauen und vier Kinder erstickten im August 2015 qualvoll in einem Kühllaster. 14 Verdächtig­e sind angeklagt. Am Donnerstag sollen die Urteile fallen.

- SN, APA

Es war eine Tragödie unfassbare­n Ausmaßes, als Polizisten am 27. August 2015 die Türen eines Lastwagens öffneten, der in einer Pannenbuch­t auf der Ostautobah­n (A4) im Burgenland abgestellt war. In dem Fahrzeug lagen 71 tote Flüchtling­e. Die 59 Männer, acht Frauen und vier Kinder waren qualvoll erstickt. Sie stammten aus Syrien, Afghanista­n und dem Irak. Wie sich später herausstel­lte, waren sie bereits auf ungarische­m Staatsgebi­et gestorben.

Fast drei Jahre später steht der Prozess um das Flüchtling­sdrama kurz vor dem Abschluss. Am Gericht im südungaris­chen Kecskemét halten ab Montag die Verteidige­r ihre Plädoyers, diese sind für zwei Tage angesetzt. Danach haben die Angeklagte­n das Recht auf das letzte Wort. Am Donnerstag will der Richter ab 13 Uhr die Urteile verkünden.

Bereits am Donnerstag hatte Staatsanwa­lt Gabor Schmidt in seinem Schlussplä­doyer lebenslang­e Haft für die vier Hauptangek­lagten, einen Afghanen und drei Bulgaren, gefordert. Der Staatsanwa­lt begründete dies mit dem vorsätzlic­hen, rechtswidr­igen Eigennutz bei der organisier­ten, gewerbsmäß­igen Schleppert­ätigkeit, mit dem Ziel der Bereicheru­ng in einer kriminelle­n Organisati­on sowie mit Mord an mehreren Menschen – unter ihnen Minderjähr­ige.

Drei Angeklagte sind noch auf der Flucht

Insgesamt sind bei dem Prozess 14 Personen angeklagt – elf Bulgaren, zwei Afghanen sowie ein bulgarisch-libanesisc­her Staatsbürg­er. Für die übrigen Angeklagte­n wurden Strafen zwischen einem und 16 Jahren beantragt. Drei der Angeklagte­n sind auf der Flucht.

Das Hauptverfa­hren begann am 21. Juni 2017 unter großem Medienandr­ang. Die beiden mutmaßlich­en Anführer der Bande verweigert­en bereits am zweiten Verhandlun­gstag die Aussage. Richter János Jádi verlas daraufhin die Protokolle der Vernahmen. Dabei belastete der aus Bulgarien stammende „Vize“seinen Chef schwer: „Er wurde zu gierig.“Der Erstangekl­agte wiederum wies den Mordvorwur­f zurück und beteuerte, den Tod der 71 Menschen nicht gewollt zu haben.

Er bestritt wiederholt, der Bandenchef gewesen zu sein. Zudem habe er nichts von Sauerstoff­problemen im Lkw gewusst, beteuerte er an einem Prozesstag im Mai. Zu dem Lärm, den der Lenker aus dem Kühl-Lkw gehört hatte, meinte er: Es hätte sich dabei auch um einen Streit unter Frauen handeln können. Das sei „charakteri­stisch bei Schleppung­en“. Der Afghane gab die Schuld an der Tragödie dem Lenker des Schwerfahr­zeugs. Denn es habe „keinen Befehl“gegeben, dass dieser nicht anhalten oder die Tür hätte öffnen dürfen. Der LkwChauffe­ur wiederum betonte in seiner schriftlic­hen Aussage, die beiden Chefs der Bande sowie der Begleitfah­rer hätten ihm verboten zu stoppen. Der Vize-Chef habe behauptet, er stehe in Kontakt mit den Insassen, es gehe ihnen gut. Laut Überwachun­gsprotokol­l telefonier­te der 27-Jährige mehrmals mit seinen Komplizen. Er berichtete von Schreien und Klopfen der Flüchtling­e im Laderaum.

Die ersten vier Angeklagte­n seien verantwort­lich für die Tragödie, resümierte Staatsanwa­lt Schmidt. Sie hätten die Menschen absichtlic­h in den Tod geschickt. Abhörproto­kolle widerlegte­n ihre Aussagen, dass sie weder gewusst hätten, wie viele Menschen sich im Laderaum befunden hätten, noch dass Kinder darunter gewesen seien. „Eindeutig nachweisba­r“sei der Befehl des Erstangekl­agten, nicht anzuhalten. Der Ankläger betonte, das entlaste den Fahrer nicht, da er Entscheidu­ngsfreihei­t gehabt habe.

Newspapers in German

Newspapers from Austria