Salzburger Nachrichten

Die Inflation, die Banken, der Staat und eine Flasche Tabasco

Die Angst, dass die Banken einen neuen Flächenbra­nd auslösen könnten, ist zehn Jahre nach der Finanzkris­e noch immer in den Köpfen.

- MARKT PLATZ Richard Wiens WWW.SN.AT/WIENS

In der Wirtschaft geht es manchmal ganz schön paradox zu. Während Venezuelas Bürger darunter leiden, dass sich ihr Geld bei 13.000 Prozent Inflation so rasant entwertet, dass sie es gar nicht schnell genug ausgeben können, sehnt man in der Europäisch­en Zentralban­k eine etwas höhere Inflation als 1,5 Prozent herbei. Gut, dazwischen liegen Welten, aber seit es Geld gibt, gehört dessen Entwertung zu den ganz großen Ängsten der Menschen.

Das gilt ganz besonders für die Deutschen, bei denen sich die Hyperinfla­tion von 1923 als Urangst ins nationale Gedächtnis eingebrann­t hat. Aber trotz Nullzinsen und realer Verluste auf dem Sparbuch sehen laut einer Umfrage des renommiert­en Allensbach-Instituts mittlerwei­le 61 Prozent der Deutschen im Wiederauff­lammen der Finanzkris­e eine größere Bedrohung für ihren Wohlstand als in höherer Inflation. Auch Einbrecher fürchten sie weniger als ein neues Inferno im Bankensekt­or.

Offenbar schlummern da im Unterbewus­stsein die Zeilen aus der „Dreigrosch­enoper“, in der Bertolt Brecht schrieb: „Was ist ein Dietrich gegen eine Aktie? Was ist der Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank?“In einem Land wie Venezuela würde sich nicht einmal mehr der Einbruch in eine Bank lohnen. Wozu sich die Mühe machen, wertloses Papier zu stehlen, das kaum Heizwert hat?

Erinnerung­en an die Finanzkris­e 2008/09 wurden dieser Tage auch in Großbritan­nien wieder wach. Dort hat sich der Staat von weiteren Aktien der in der Krise verstaatli­chten Royal Bank of Scotland getrennt. Für 7,7 Prozent der Anteile lukrierte man umgerechne­t rund 2,5 Mrd. Euro. Klingt nach viel, bedeutet aber einen Verlust von 2,1 Mrd. Euro für die britischen Steuerzahl­er, weil der Staat seinerzeit 4,6 Mrd. Euro gezahlt hat. In Summe hatte die Regierung RBS im Jahr 2008 mit mehr als 50 Mrd. Euro vor dem Untergang bewahrt.

Finanzmini­ster Philip Hammond sprach dennoch von „einem wichtigen Schritt hin zu einer vollen Reprivatis­ierung der RBS“. Angesichts dessen, dass der Staat noch immer 62 Prozent der RBS hält, ist das für die Briten ein Grund zum Fürchten. In Abwandlung Brechts könnte man sagen: „Was ist die Rettung einer Bank gegen die Reprivatis­ierung einer Bank?“

Ein guter Anlass, sich an Fred Goodwin zu erinnern. Der Ex-Vorstandsc­hef machte nur wenige Monate vor dem Kollaps der RBS einem Investor den Kauf neuer Aktien auf bemerkensw­erte Weise schmackhaf­t. Goodwin zeigte auf eine Flasche Tabasco und sagte, er werde sie leer trinken, falls jemand Geld verlieren sollte. Ob der Investor ihn zur Einlösung seines Verspreche­ns nötigte, ist nicht belegt. Der Staat hat 2012 zumindest reagiert und Goodwins Ritterschl­ag rückgängig gemacht.

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