Die Inflation, die Banken, der Staat und eine Flasche Tabasco
Die Angst, dass die Banken einen neuen Flächenbrand auslösen könnten, ist zehn Jahre nach der Finanzkrise noch immer in den Köpfen.
In der Wirtschaft geht es manchmal ganz schön paradox zu. Während Venezuelas Bürger darunter leiden, dass sich ihr Geld bei 13.000 Prozent Inflation so rasant entwertet, dass sie es gar nicht schnell genug ausgeben können, sehnt man in der Europäischen Zentralbank eine etwas höhere Inflation als 1,5 Prozent herbei. Gut, dazwischen liegen Welten, aber seit es Geld gibt, gehört dessen Entwertung zu den ganz großen Ängsten der Menschen.
Das gilt ganz besonders für die Deutschen, bei denen sich die Hyperinflation von 1923 als Urangst ins nationale Gedächtnis eingebrannt hat. Aber trotz Nullzinsen und realer Verluste auf dem Sparbuch sehen laut einer Umfrage des renommierten Allensbach-Instituts mittlerweile 61 Prozent der Deutschen im Wiederaufflammen der Finanzkrise eine größere Bedrohung für ihren Wohlstand als in höherer Inflation. Auch Einbrecher fürchten sie weniger als ein neues Inferno im Bankensektor.
Offenbar schlummern da im Unterbewusstsein die Zeilen aus der „Dreigroschenoper“, in der Bertolt Brecht schrieb: „Was ist ein Dietrich gegen eine Aktie? Was ist der Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank?“In einem Land wie Venezuela würde sich nicht einmal mehr der Einbruch in eine Bank lohnen. Wozu sich die Mühe machen, wertloses Papier zu stehlen, das kaum Heizwert hat?
Erinnerungen an die Finanzkrise 2008/09 wurden dieser Tage auch in Großbritannien wieder wach. Dort hat sich der Staat von weiteren Aktien der in der Krise verstaatlichten Royal Bank of Scotland getrennt. Für 7,7 Prozent der Anteile lukrierte man umgerechnet rund 2,5 Mrd. Euro. Klingt nach viel, bedeutet aber einen Verlust von 2,1 Mrd. Euro für die britischen Steuerzahler, weil der Staat seinerzeit 4,6 Mrd. Euro gezahlt hat. In Summe hatte die Regierung RBS im Jahr 2008 mit mehr als 50 Mrd. Euro vor dem Untergang bewahrt.
Finanzminister Philip Hammond sprach dennoch von „einem wichtigen Schritt hin zu einer vollen Reprivatisierung der RBS“. Angesichts dessen, dass der Staat noch immer 62 Prozent der RBS hält, ist das für die Briten ein Grund zum Fürchten. In Abwandlung Brechts könnte man sagen: „Was ist die Rettung einer Bank gegen die Reprivatisierung einer Bank?“
Ein guter Anlass, sich an Fred Goodwin zu erinnern. Der Ex-Vorstandschef machte nur wenige Monate vor dem Kollaps der RBS einem Investor den Kauf neuer Aktien auf bemerkenswerte Weise schmackhaft. Goodwin zeigte auf eine Flasche Tabasco und sagte, er werde sie leer trinken, falls jemand Geld verlieren sollte. Ob der Investor ihn zur Einlösung seines Versprechens nötigte, ist nicht belegt. Der Staat hat 2012 zumindest reagiert und Goodwins Ritterschlag rückgängig gemacht.