Blaue Regierungsbeteiligung belastet Kanzler-Visite in Israel
Sebastian Kurz betont Verantwortung Österreichs für den Holocaust. Die Palästinenser kritisieren „eindeutig proisraelische Politik“Österreichs.
Es ist ein heikler Besuch, den Bundeskanzler Sebastian Kurz Sonntag frühmorgens begonnen hat. Der Kanzler reiste nach Israel, er wird unter anderem mit Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und Staatspräsident Reuven Rivlin zusammentreffen. Am Sonntag besuchte Kurz die Gedenkstätte Yad Vashem, wo er die Verantwortung Österreichs für den Holocaust betonte. Der Kanzler unterzeichnete eine Vereinbarung, die den Zugang zu österreichischen Archiven für die Holocaust-Forschung erleichtern soll. Ein weiteres Abkommen soll zu einer Vertiefung der Lehrerfortbildung führen.
Wie die israelische Botschafterin in Wien, Talya Lador-Fresher, in der „Kleinen Zeitung“sagte, seien die bilateralen Beziehungen zwischen Österreich und Israel „in vieler Hinsicht so gut wie noch nie“. Freilich wirft die freiheitliche Regierungsbeteiligung einen Schatten auf die Beziehungen. FPÖ-Minister werden von israelischen Amtsträgern nicht empfangen. Beim Besuch in Yad Vashem wurde Kurz von der Führerin auf „antisemitische Vorfälle“in der FPÖ angesprochen. Kritik gab es auch vom palästinensischen Botschafter in Wien, Salah Abdel Shafi. Er konstatierte bei Österreichs Regierung eine „Kehrtwende“zu einer „eindeutig proisraelischen Politik“. Auch kritisierte er, dass Kurz bei seinem Israel-Besuch die palästinensischen Gebiete meide.
Bundeskanzler Sebastian Kurz hat bei einem Besuch der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem die Verantwortung Österreichs für den Holocaust betont. „Österreich und die Österreicher tragen die schwere Verantwortung für die schrecklichen und beschämenden Verbrechen, die in der Shoah begangen wurden“, sagte Kurz in einer Ansprache am Sonntagvormittag.
„Wir Österreicher wissen, dass wir für unsere Geschichte verantwortlich sind“, sagte der Bundeskanzler weiter. Er betonte die Verpflichtung, dass die Shoah nie wieder geschehen dürfe und dass die künftigen Generationen diese schrecklichen Verbrechen nicht vergäßen.
Anlass für den Besuch von Kurz in Israel ist das Gedenkjahr 1938/2018, er wird von Bildungsminister Heinz Faßmann begleitet. Die erste Station der gemeinsamen Reise war Yad Vashem. Die Republik Österreich will sich mit einer Million Euro am geplanten Bau eines neuen Shoah Heritage Collections Centers beteiligen. Dieses neue Zentrum, das zusätzliche Lager- und Konservierungslabors für Artefakte, Kunstwerke und Dokumentationen aus der Zeit des Holocausts bieten wird, soll einen wichtigen Beitrag zur fortgesetzten Erforschung des Holocausts leisten.
Kurz und der Yad-Vashem-Vorsitzende Av- ner Shalev unterzeichneten ein Grundsatzabkommen, das Yad Vashem den Zugang zum Österreichischen Staatsarchiv und der Mauthausen-Gedenkstätte ermöglicht. Shalev und Faßmann unterzeichneten ein Abkommen, das Hunderten Lehrenden die Möglichkeit bieten soll, an Schulungen in Yad Vashem teilzunehmen.
Deborah Hartmann von der International School for Holocaust Studies, die Kurz und seine Delegation, durch Yad Vashem führte, erinnerte den Bundeskanzler auch an seine Verantwortung für die Zukunft. Sie kritisierte, dass es in Kurz’ Koalitionspartner FPÖ noch immer Politiker gebe, „denen man erklären muss, was die Shoah war, von welcher Katastrophe wir eigentlich sprechen“. Sie sprach von 30 antisemitischen Vorfällen in der FPÖ.
Der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG), Oskar Deutsch, sprang zur Verteidigung von Kurz ein. Der Bundeskanzler sei „der Garant dafür“, gegen alles, was mit Antisemitismus zu tun habe, zu arbeiten, betonte Deutsch. Im Anschluss an Yad Vashem besichtigte Kurz das Herzl-Museum zu Ehren des Begründers des politischen Zionismus. Am Montag trifft Kurz den israelischen Regierungschef Benjamin Netanjahu, am Dienstag Präsident Reuven Rivlin.