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Manche nennen ihn „Turtle Hero“: Der Zoologe Peter Praschag hat in Graz mit seinem Vater eine renommierte Erhaltungszuchtstation für Schildkröten aufgebaut. Ein Zoo soll in Bälde folgen.
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Begonnen hat alles mit einer „Liebhaberei“seines Vaters Reiner. Der Architekt, der im Alter von zehn Jahren eine Schildkröte bekommen hatte, errichtete später für seine Tiere ein zwischen Wohnhaus und Büro befindliches Glashaus. Doch der Spezialist für Zoo-Architektur wollte mehr. Gemeinsam mit Sohn Peter baute er eine der weltweit größten und bedeutendsten Schildkrötensammlungen mit über 150 Arten auf.
Aus einem Hobby ist eine Berufung, ja eine Mission geworden, heute leben rund 1500 Schildkröten an drei Grazer Standorten, der Zoologe Peter Praschag gilt als einer der führenden Schildkrötenexperten. Der in manchen Medien als „Turtle Hero“bezeichnete Grazer hat es sich zum Ziel gesetzt, sich mit dem Artensterben nicht abzufinden. „Von den rund 340 Arten sind über 50 Prozent vom Aussterben bedroht“, sagt Praschag, der immer wieder Teilerfolge feiern kann. Erst kürzlich etwa sind aus 28 Eiern 24 Jungtiere der Nördlichen Batagur-Schildkröte geschlüpft. Diese Schildkröte zählt mit weltweit weniger als zehn reproduzierenden Weibchen zu den seltensten Tierarten der Erde. Das in Graz beheimatete Weibchen ist äußerst zutraulich und wird von allen Mitarbeitern „Queen“genannt.
Erst vor wenigen Tagen ist Peter Praschag von einem zweimonatigen Auslandsaufenthalt in den USA zurückgekommen. In einem wüstenartigen Hochsicherheitsareal der US-Marines, auf dem unter anderem mit Phosphorbomben Angriffe auf arabische Dörfer simuliert werden, kümmert sich Praschag um die ebendort lebenden 2000 Exemplare der geschützten Gopherschildkröte. Der Verdienst für die Tätigkeit in dem auch von Klapperschlangen bevölkerten Militärsperrgebiet fließt in die Finanzierung des Grazer Schildkrötencamps „Turtle Island“, für das Peter Praschag große Pläne hat. Seit Jahren ist angedacht, die bislang nur Wissenschaftern offene Erhaltungszuchtstation zu einer öffentlichen Besucherattraktion zu erweitern. „Wir wollen in der Steiermark ein weltweites Mekka für Schildkröten, Schildkrötenexperten und Schildkrötenenthusiasten ins Leben rufen“, betont Praschag, der in seinem Bestreben auch von der Politik unterstützt wird: „Die Zeit scheint reif für einen modernen Zoo in Graz.“Noch heuer könnte der Startschuss für einen von Reiner Praschag entworfenen Neubau in Form einer monumentalen Riesenschildkröte fallen.
Woher kommt die Faszination für diese Tiere? Peter Praschag gerät sofort ins Schwärmen: „Schildkröten haben einen einzigartigen Bauplan in der Tierwelt, sie sind absolut unverwechselbar. Ihre Evolution ist eine Erfolgsstory sie haben 220 Millionen Jahre ohne große Veränderungen überlebt und sind faszinierende, archaische Tiere.“Für ihn persönlich stellt der Umgang mit Schildkröten eine Bereicherung dar: „Sie strahlen eine unglaubliche Ruhe aus, eine Ruhe, die man im Alltag nur allzu oft vermisst.“Schildkröten seien eine Art Gegenpol zu unserer von Stress und Hektik erfüllten Zeit. „In der Ruhe liegt bekanntlich die Kraft. Schildkröten haben bereits vor den Dinosauriern gelebt und das spürt man auch heute noch, wenn man ihnen zusieht.“Und: „Wenn ich aus den USA zurückkomme, tauche ich in Graz bei unseren Schildkröten in eine Oase der Ruhe ein. Das hat fast schon einen therapeutischen Charakter.“
In einer „Universum“-Dokumentation konnte der Grazer bereits mit dem Vorurteil aufräumen, dass die Schildkröte ein langsames, träges Individuum sei. Spannend ist auch der Umstand, dass die Schildkröte die Brücke zwischen dem Archaischen und der modernen Welt geschafft hat. „Anders als etwa Schlagen finden viele Schildkröten sympathisch, es gibt kaum Souvenirshops, in denen es keine Produkte gibt, die sich um die Schildkröte drehen.“Weltweit gibt es Mythen um die Tiere. Peter Praschag: „Die Hindus etwa glauben, dass ihr Gott Vishnu in seiner zweiten Inkarnation zu Kurma wurde, einer Schildkröte, die im Milchmeer schwimmt und auf dem Rücken die Welt trägt.“
„Turtle Island“wird von der Stadt Graz und dem Land Steiermark unterstützt, die Erhaltungszuchtstation, die auch von Dagmar Schratter, der Direktorin des Tiergartens Schönbrunn und WWF-Österreich-Ehrenpräsident Helmut Pechlaner geschätzt wird, ist zudem auch auf Spenden angewiesen. Peter Praschag, der an der Karl-Franzens-Universität Graz Biologie und Zoologie studiert hat, verfasste seine Diplomarbeit und Dissertation über südasiatische Wasserschildkröten. Auf der Suche nach der seltensten Wasserschildkröte der Welt ist er auf die JangtseWeichschildkröte gestoßen. Von der vermutlich größten Süßwasserschildkröte der Welt – diese Tiere können bis zu 140 Kilogramm schwer werden – sind heute nur noch drei lebende Exemplare bekannt: ein Pärchen in China und eine in Vietnam. Da „China Girl“in China seit Jahren unbefruchtete Eier produziert, wird nun mit Nachdruck nach weiteren Tieren in freier Wildbahn gesucht: „Wir versuchen alles, um diese mysteriöse Art vor dem Aussterben zu bewahren.“Für ihn und seine Kollegen ist es ein Wettlauf mit der Zeit.
Peter Praschag spaziert durch „Turtle Island“südlich von Graz. Grüne Wasserfrösche quaken, aus einem Teich ragen fallweise kleine Schildkrötenköpfe. Eine Naturidylle in der Großstadt. „Ich erkenne bis auf jene, die in Freianlagen selbstständig schlüpfen, alle meine Schildkröten im Schlaf“, sagt der Zoologe. Ob er schon einmal eine Schildkrötensuppe gegessen habe? Peter Praschag schüttelt den Kopf. „Aber ich habe einmal beim Legevorgang beschädigte Eier unserer Batagur-Schildkröten gekostet. Was in Malaysia eine Delikatesse und nur dem Sultan vorbehalten ist. Geschmeckt hat es grauslich.“