Die schöne neue Medienwelt
Was früher als Stammtischparole verhallte, tönt jetzt durchs globale Dorf und beeinflusst die Welt. Da braucht es Informationsprofis, die dagegenhalten.
Medienminister Gernot Blümel hat also in der vergangenen Woche etliche kluge Menschen eingeladen, um zwei Tage lang über die Zukunft der Medien zu diskutieren. Das war grundsätzlich eine hervorragende Idee des Ministers, denn der Diskussionsbedarf ist groß. Die Geschäftsmodelle der klassischen Medien geraten gleich von mehreren Seiten unter Druck. Da sind die Onlinegiganten von Google bis Facebook, die ebenso ungeniert wie unentgeltlich die teuer erarbeiteten Inhalte der klassischen Medien absaugen, um mit diesem Fremdmaterial, von Steuerbehörden nur marginal behelligt, ihr Milliardengeschäft zu tätigen. Da ist die Werbewirtschaft, die weltweit Milliarden aus den klassischen Medien in besagte Onlinegiganten umleitet. Da ist ein Medienpublikum, das immer weniger versteht, warum es für die Nachrichten in klassischen Medien zahlen soll, wo doch auf Smartphone und Tablet eine schöne neue Medienwelt gratis angeboten wird.
Probleme genug also für eine zweitägige Enquete. Probleme im Übrigen, die das kleine Österreich allein nicht lösen kann. Europäische, nein: globale Antworten sind notwendig.
Nicht ganz verständlich ist freilich, warum das kleine Österreich nicht wenigstens jene vergleichsweise kleinen Problemfelder einer Lösung zuführt, die es allein durchaus lösen könnte. Etwa das Problem der Presseförderung, von deren Erhöhung beispielsweise die Journalistenausbildung existenziell abhängt. Oder das Problem der in Österreich unterentwickelten Informationsfreiheit, die mit einem einfachen Gesetz auf nationaler Ebene eingeführt werden könnte. Auch die Frage, wie öffentlich-rechtliche Inhalte in den elektronischen Medien finanziert werden sollen, müsste bei einigem guten Willen zu bewältigen sein. Hier könnte und sollte die Regierung rasch agieren. Sie tut es leider nicht.
Bleibt die Frage, warum sich die Politik überhaupt in die Medienwirtschaft einmischen soll. Wenn die Schrauben- oder die Extrawurstindustrie in Schieflage gerät, gibt es ja auch keine zweitägige Enquete mit internationaler Beteiligung zwecks Problemanalyse. Die Antwort auf diese Frage lautet: Eine Demokratie braucht zum Überleben weder eine Schrauben- noch eine Extrawurstfabrikation. Doch sie braucht Medien, die soliden, faktenbasierten Journalismus bieten. Dieser Journalismus kostet Geld – und er ist wichtiger denn je. Denn das Internet und die sogenannten sozialen Medien haben eine völlig neue Welt geschaffen. Nie zuvor in der Geschichte der Menschheit konnten so viele Menschen gleichzeitig mit so viel Info-Müll und sonstigen Lügen überschüttet werden. Was früher als Stammtischparole nicht aus den Mauern des Wirtshauses hinausdrang, hallt jetzt durchs globale Dorf und beeinflusst die Welt. Jeder, der einen Laptop und einen Internetanschluss sein eigen nennt, kann seinen Unsinn vor einem unendlich großen Publikum absondern. Und er tut’s auch. Woraus sich der Schluss ziehen lässt, dass qualitätsvoller Journalismus in der Geschichte der Menschheit nie so wichtig war wie jetzt. Denn man braucht Profis, die für ihr Publikum den überbordenden Info-Müll von tatsächlichen Nachrichten trennen; die Verschwörungstheorien und sonstigen Info-Unfug als solchen entlarven; die mit ihren Analysen, Kommentaren und mit der Auswahl ihrer Nachrichten die Welt ein Stück verständlicher machen.
Es liegt an den Verlegern und Journalisten, diese Form des Journalismus anzubieten. Und es liegt an der Politik, diesen Weg zu ebnen. Beispielsweise durch eine faire Steuergesetzgebung, die nicht die Onlineriesen gegenüber den klassischen Medien krass bevorzugt. Durch eine Presseförderung, die nach objektivierbaren Kriterien qualitätsvollen Journalismus fördert. Durch ein Leistungsschutzrecht, das das geistige Eigentum der Journalisten und Verlage vor dem Zugriff der Onlineriesen schützt. Etliche dieser Dinge könnten rasch beschlossen werden, da braucht es keine zweitägige Enquete und keinen internationalen Gleichklang.
Und was ist tatsächlich zu erwarten? Keine Ahnung. Es stimmt wenig zuversichtlich, dass Medienminister Blümel – zum Abschluss der Enquete bei Stefan Kappacher „Im Journal zu Gast“– inhaltliche Fragen nicht nur nicht beantwortete, sondern diese in rüdem Ton als Zumutung zurückwies („Ich bin von Ihren Fragen enttäuscht!“). Ihre Enttäuschung in Ehren, Herr Minister – doch wir würden allmählich gern Antworten hören.