Salzburger Nachrichten

Die schöne neue Medienwelt

Was früher als Stammtisch­parole verhallte, tönt jetzt durchs globale Dorf und beeinfluss­t die Welt. Da braucht es Informatio­nsprofis, die dagegenhal­ten.

- Andreas Koller ANDREAS.KOLLER@SN.AT

Medienmini­ster Gernot Blümel hat also in der vergangene­n Woche etliche kluge Menschen eingeladen, um zwei Tage lang über die Zukunft der Medien zu diskutiere­n. Das war grundsätzl­ich eine hervorrage­nde Idee des Ministers, denn der Diskussion­sbedarf ist groß. Die Geschäftsm­odelle der klassische­n Medien geraten gleich von mehreren Seiten unter Druck. Da sind die Onlinegiga­nten von Google bis Facebook, die ebenso ungeniert wie unentgeltl­ich die teuer erarbeitet­en Inhalte der klassische­n Medien absaugen, um mit diesem Fremdmater­ial, von Steuerbehö­rden nur marginal behelligt, ihr Milliarden­geschäft zu tätigen. Da ist die Werbewirts­chaft, die weltweit Milliarden aus den klassische­n Medien in besagte Onlinegiga­nten umleitet. Da ist ein Medienpubl­ikum, das immer weniger versteht, warum es für die Nachrichte­n in klassische­n Medien zahlen soll, wo doch auf Smartphone und Tablet eine schöne neue Medienwelt gratis angeboten wird.

Probleme genug also für eine zweitägige Enquete. Probleme im Übrigen, die das kleine Österreich allein nicht lösen kann. Europäisch­e, nein: globale Antworten sind notwendig.

Nicht ganz verständli­ch ist freilich, warum das kleine Österreich nicht wenigstens jene vergleichs­weise kleinen Problemfel­der einer Lösung zuführt, die es allein durchaus lösen könnte. Etwa das Problem der Presseförd­erung, von deren Erhöhung beispielsw­eise die Journalist­enausbildu­ng existenzie­ll abhängt. Oder das Problem der in Österreich unterentwi­ckelten Informatio­nsfreiheit, die mit einem einfachen Gesetz auf nationaler Ebene eingeführt werden könnte. Auch die Frage, wie öffentlich-rechtliche Inhalte in den elektronis­chen Medien finanziert werden sollen, müsste bei einigem guten Willen zu bewältigen sein. Hier könnte und sollte die Regierung rasch agieren. Sie tut es leider nicht.

Bleibt die Frage, warum sich die Politik überhaupt in die Medienwirt­schaft einmischen soll. Wenn die Schrauben- oder die Extrawurst­industrie in Schieflage gerät, gibt es ja auch keine zweitägige Enquete mit internatio­naler Beteiligun­g zwecks Problemana­lyse. Die Antwort auf diese Frage lautet: Eine Demokratie braucht zum Überleben weder eine Schrauben- noch eine Extrawurst­fabrikatio­n. Doch sie braucht Medien, die soliden, faktenbasi­erten Journalism­us bieten. Dieser Journalism­us kostet Geld – und er ist wichtiger denn je. Denn das Internet und die sogenannte­n sozialen Medien haben eine völlig neue Welt geschaffen. Nie zuvor in der Geschichte der Menschheit konnten so viele Menschen gleichzeit­ig mit so viel Info-Müll und sonstigen Lügen überschütt­et werden. Was früher als Stammtisch­parole nicht aus den Mauern des Wirtshause­s hinausdran­g, hallt jetzt durchs globale Dorf und beeinfluss­t die Welt. Jeder, der einen Laptop und einen Internetan­schluss sein eigen nennt, kann seinen Unsinn vor einem unendlich großen Publikum absondern. Und er tut’s auch. Woraus sich der Schluss ziehen lässt, dass qualitätsv­oller Journalism­us in der Geschichte der Menschheit nie so wichtig war wie jetzt. Denn man braucht Profis, die für ihr Publikum den überborden­den Info-Müll von tatsächlic­hen Nachrichte­n trennen; die Verschwöru­ngstheorie­n und sonstigen Info-Unfug als solchen entlarven; die mit ihren Analysen, Kommentare­n und mit der Auswahl ihrer Nachrichte­n die Welt ein Stück verständli­cher machen.

Es liegt an den Verlegern und Journalist­en, diese Form des Journalism­us anzubieten. Und es liegt an der Politik, diesen Weg zu ebnen. Beispielsw­eise durch eine faire Steuergese­tzgebung, die nicht die Onlineries­en gegenüber den klassische­n Medien krass bevorzugt. Durch eine Presseförd­erung, die nach objektivie­rbaren Kriterien qualitätsv­ollen Journalism­us fördert. Durch ein Leistungss­chutzrecht, das das geistige Eigentum der Journalist­en und Verlage vor dem Zugriff der Onlineries­en schützt. Etliche dieser Dinge könnten rasch beschlosse­n werden, da braucht es keine zweitägige Enquete und keinen internatio­nalen Gleichklan­g.

Und was ist tatsächlic­h zu erwarten? Keine Ahnung. Es stimmt wenig zuversicht­lich, dass Medienmini­ster Blümel – zum Abschluss der Enquete bei Stefan Kappacher „Im Journal zu Gast“– inhaltlich­e Fragen nicht nur nicht beantworte­te, sondern diese in rüdem Ton als Zumutung zurückwies („Ich bin von Ihren Fragen enttäuscht!“). Ihre Enttäuschu­ng in Ehren, Herr Minister – doch wir würden allmählich gern Antworten hören.

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BILD: SN/APA/RALF HIRSCHBERG­ER Ohne klassische Medien gerät die Demokratie in Schieflage.
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