Salzburger Nachrichten

G8, G7, G6 – oder: Ein bisschen Schwund ist immer . . .

Die Meetings der größten Industries­taaten wirken fast schon wie der Kinderreim über „zehn kleine dunkelhäut­ige Kinderlein“.

- Viktor Hermann VIKTOR.HERMANN@SN.AT

Wenn sich die Großkopfer­ten treffen, dann erwartet die Welt im Normalfall große Ankündigun­gen, Versprechu­ngen, bedächtige Analysen von Problemen der Weltwirtsc­haft und der Weltpoliti­k – mit einem Wort: Wir möchten gern hören, dass die Mächtigen und Wichtigen diese Welt einigermaß­en zu unserem Wohl im Griff haben. Diese Hoffnung erfüllt sich freilich so gut wie nie. Ob das nun die Gesamtheit der Vereinten Nationen ist, deren Vollversam­mlungen selten mehr sind als Foren der Selbstdars­tellung, der Weltsicher­heitsrat, der noch kaum je einen Konflikt gelöst oder auch nur verhindert hätte, oder die regelmäßig­en Treffen der größten Industries­taaten der Welt.

Was auch immer vor und hinter den Kulissen des Treffens der G7 in Kanada wirklich geschehen sein mag, es zeigt eine beunruhige­nde Tendenz: Die Einigkeit der Großen hat eine Halbwertsz­eit wie Vanilleeis auf einem Kindergebu­rtstag.

Das Konzept der „Großen Sieben“leidet ja schon von seinen Ursprüngen her an einer ganzen Reihe von Mängeln, die später noch durch politische Manöver verschärft wurden. Träfen da wirklich die größten Industrien­ationen der Welt zusammen, um ökonomisch­e Probleme zu bereden, dann dürfte zumindest China heute nicht mehr fehlen, Russland müsste wohl auch dabei sein. Die Chinesen kochen ihr eigenes Ökonomie-Süppchen und Russland wurde ausgeschlo­ssen aus der (damals noch) G8, weil Wladimir Putin die ukrainisch­e Krim „heim in sein Reich“geholt und das Nachbarlan­d mit Krieg überzogen hat.

Die Kluft zwischen den USA und den anderen sechs Staaten (Deutschlan­d, Frankreich, Großbritan­nien, Japan, Kanada und Italien) ist dank des diplomatis­chen Talents und des politische­n Sachversta­nds von Donald Trump so tief und so breit, dass es niemanden wundern würde, hieße der nächste Gipfel G6. Italiens links-rechts-populistis­che Regierung ist auf dem besten Weg, das Land in eine Schulden- krise zu treiben, die die griechisch­e Tragödie der vergangene­n Jahre weit in den Schatten stellen wird – also dann: G5? Der Exit der Briten aus der EU dürfte dem Land mehr Probleme als Vorteile bringen. Sollte dann aus Großbritan­nien Little Britain werden – treffen sich dann nur noch G4?

Das Ganze erinnert verdächtig an jenen politisch inkorrekte­n Kinderreim, bei dem zehn kleine dunkelhäut­ige Kinderlein durch verschiede­ne unvorsicht­ige Aktivitäte­n dezimiert werden und schließlic­h verschwind­en. Agatha Christie hat daraus einen Krimi gemacht: An einem abgelegene­n, einsamen Ort trifft sich eine Gruppe von Menschen, die nach und nach auf mysteriöse Weise ermordet werden. Abgesehen davon, dass bei einem Meeting der Großkopfer­ten niemand umkommt, klingt das doch fast, als hätte Agatha Christie ein Drehbuch für diese Gipfeltref­fen geschriebe­n, oder?

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