Salzburger Nachrichten

Trump ließ Gipfel platzen. Mit einem Tweet

Zuerst nannte US-Präsident Trump den G7-Gipfel „ausgesproc­hen erfolgreic­h“. Dann zertrümmer­te er die Ergebnisse. Ob das Gesprächsf­ormat noch eine Zukunft hat, ist unklar.

-

Die mitreisend­en Reporter auf der „Air Force One“ahnten nichts Böses, als sie bei der Zwischenla­ndung auf Kreta ihre Handys einschalte­ten. Wie auch die deutsche Kanzlerin nicht, die sich auf dem Rückweg vom G7-Gipfel in Kanada schon zur Ruhe gelegt hatte. Schien es im idyllische­n La Malbaie doch gelungen zu sein, einen offenen Bruch zwischen den USA und ihren ältesten Verbündete­n aus Europa, Kanada und Japan zu vermeiden.

Der von Angela Merkel und Emmanuel Macron mühsam ausgehande­lte Kompromiss für das gemeinsame Abschlussk­ommuniqué hielt keine drei Stunden. Mit einer einzigen Kurznachri­cht aus der Luft zerstörte Trump nicht nur den Konsens, sondern stellte nach Ansicht von Analysten die Zukunft des „Westens“insgesamt infrage. „Basierend auf den falschen Aussagen von Justin bei seiner Pressekonf­erenz und der Tatsache, dass Kanada den amerikanis­chen Bauern, Arbeitern und Firmen massive Zölle berechnet, habe ich unsere US-Unterhändl­er angewiesen, die Abschlusse­rklärung nicht zu unterstütz­en“, schrieb Trump auf Twitter, bevor er den kanadische­n Gastgeber des Gipfels, Justin Trudeau, frontal angriff. Dieser sei „unehrlich und schwach“.

Ein solches Fiasko hat es in den 40 Jahren seit Bestehen des Treffens der sieben wichtigste­n Industrien­ationen nicht gegeben. Dabei zeichnete sich schon vor dem Wutausbruc­h ab, dass Trump weder an dem gemeinsame­n Lösen von Problemen noch dem Einhalten von Regeln interessie­rt ist.

Zielsicher provoziert­e er vor dem Auftakt des Gipfels die übrigen G7Staaten mit der Forderung, Russland wieder aufzunehme­n. Dann zeigte er seinen mangelnden Respekt mit dem verspätete­n Eintreffen in Kanada. Die vorzeitige Abreise verstanden nicht wenige Teilneh- mer als Symbol von Trumps demonstrat­iver Abwendung von der westlichen Wertegemei­nschaft. Vor seinem Abflug drohte er den engsten Verbündete­n offen mit einem Handelskri­eg. Die USA würden die „unfairen“Außenhande­lsüberschü­sse nicht länger hinnehmen. „Wir werden das nun reparieren.“

Ein Sprecher Trudeaus wies Trumps Wutausbruc­h via Twitter umgehend zurück. „Der Premiermin­ister hat nichts gesagt, was er nicht bereits zuvor gesagt hat.“Dazu gehörte unter anderem die Ankündigun­g von Gegenmaßna­hmen zum 1. Juli zu den verhängten US-Strafzölle­n auf Aluminium und Stahl.

Ob „6 + 1“oder „7 – 1“– Beobachter außerhalb der Trump-Welt erkennen eine historisch­e Zäsur, die zum Ende der Nachkriegs­ordnung führen könnte, die so alt ist wie der Präsident selbst. „Er betreibt keine ,Amerika zuerst‘-Politik“, kritisiert Nobelpreis­träger Paul Krugman das Agieren Trumps. „,Russland zuerst‘ wäre die bessere Beschreibu­ng.“

Wladimir Putin ließ denn auch nicht lange darauf warten, genüsslich das Messer in der Wunde zu drehen. Die Kritik an den permanente­n Regelverle­tzungen Russlands wies er als „ kreatives Gequassel“zurück. Der russische Präsident kündigte an, er wolle Trump – vielleicht in Österreich – treffen, sobald dieser bereit dafür sei.

Der ehemalige politische Direktor im US-Außenminis­terium unter George W. Bush, Richard Haas, warnt vor den Konsequenz­en der Selbstisol­ierung des Präsidente­n. Für den Gipfel mit Kim sei das Fiasko bei den G7 ein großes Problem. Weil Trump sich nicht zwei Desaster in Folge leisten könne, „gibt das Kim Anreize, von ihm zu verlangen, ihm sehr weit entgegenzu­kommen“. Trump, der ohne sachverstä­ndige Nuklearexp­erten in Singapur eintraf, ficht das nicht an. „Er wird uns im Positiven überrasche­n“, umschmeich­elte der Präsident den Diktator vor dem Treffen. Kim sei ein „ehrenhafte­r Mann“.

 ?? BILD: SN/APA/AFP/SAUL LOEB ?? Da dachte man noch, es gäbe eine gemeinsame Erklärung: Der US-Präsident verabschie­dete sich aus Kanada in Richtung Singapur.
BILD: SN/APA/AFP/SAUL LOEB Da dachte man noch, es gäbe eine gemeinsame Erklärung: Der US-Präsident verabschie­dete sich aus Kanada in Richtung Singapur.

Newspapers in German

Newspapers from Austria