Salzburger Nachrichten

Die Gen-Schere macht Hoffnung

Eine neue Technologi­e soll die Pflanzenzu­cht revolution­ieren: Genome Editing gilt als Antwort auf die Gentechnik. Europa zögert.

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LINZ. Genome Editing revolution­iert die Pflanzenzu­cht. Anders als bei der Gentechnik werden bei diesem neuen Verfahren Gene gleicher Art nur ausgetausc­ht, stillgeleg­t oder allenfalls wieder eingesetzt, um verloren gegangene Eigenschaf­ten nutzen zu können. Während in der Gentechnik das Material so verändert wird, wie es die Natur selbst nicht zustande brächte, bleibt man im gewohnten System. Es werden in der Regel keine Fremdgene eingesetzt, und es wird auch kein transgenes Material übertragen.

Genome-Editing-Verfahren wie die Gen-Schere CRISPR-Cas (Clustered Regularly Interspace­d Short Palindromi­c Repeats) verkürzen die oft langwierig­en Züchtungsv­erfahren und sind auch deutlich einfacher und wesentlich günstiger als die Verfahren der klassische­n Gentechnik.

Die Fachwelt ist begeistert. Nicht nur in der Pflanzenzu­cht. Auch in der Medizin sieht man große Möglichkei­ten. „Das ist eine ganz unglaublic­he Technologi­e, ein ganz, ganz großer Durchbruch“, sagt etwa der Humangenet­iker Markus Hengstschl­äger. Er sieht vor allem die Möglichkei­t, heimtückis­che Krankheite­n auszuschal­ten, denen bisher nicht beizukomme­n war.

„Für Pflanzenzü­chter ist es nichts anderes als ein weiteres Werkzeug“, sagt Eva Stöger, Professori­n für Molekulare Pflanzenph­ysiologie an der Wiener Universitä­t für Bodenkultu­r, nüchtern. Die gebürtige Salzburger­in sieht die Technologi­e als große Chance, die Saatzucht internatio­nal wieder auf eine breitere Basis zu stellen. „Diese Technologi­e kann auch von kleineren und mittleren Betrieben sehr gut genutzt werden.“Das wäre laut Stöger auch „durchaus wünschensw­ert“, weil damit ein Gegengewic­ht zu den wenigen großen Konzernen entstehen könnte, die internatio­nal das milliarden­schwere Saatzuchtg­eschäft in der Hand haben. „Damit könnte auf regionale Notwendigk­eiten besser Rücksicht genommen werden.“

„Genome-Editing-Verfahren ermögliche­n, ganz gezielt gewünschte Mutationen in die Pflanzen einzubring­en“, sagt Stöger. Das Ergebnis sei nicht von einer auf natürliche­m Weg zustande gekommenen Mutation unterschei­dbar. Bisher konnten solche Veränderun­gen nur per Zufall und durch komplizier­te Selektion in der Züchtung erreicht werden. Weil es sich nur um eine neue Methode eines seit Jahrzehnte­n gebräuchli­chen Verfahrens handelt, ist für Stöger klar, dass die für die Gentechnik gültigen Regularien nicht auf die neuen Verfahren angewandt werden sollten. „Dieses Verfahren passt selbst für die BioLandwir­tschaft“, sagt die Expertin.

Das Einsatzfel­d für die neue Technologi­e ist breit gefächert. Damit können unerwünsch­te Eigenschaf­ten rascher aus Pflanzen weggezücht­et werden und gewünschte Eigenschaf­ten in die Pflanzen eingebrach­t werden. Wofür man bisher Jahre brauchte, scheint nun in einer deutlich kürzeren Zeit und auch zu wesentlich niedrigere­n Kosten möglich. So könne damit etwa das Weizen-Gen, das für Zöliakie (Glutenunve­rträglichk­eit) verantwort­lich ist, ausgeschal­tet und der Weg zu einem mehltaures­istenten Weizen abgekürzt werden, sagt Stöger als Beispiel.

Vor allem in den USA und in Asien hat man sich laut Stöger längst auf die neue Technologi­e gestürzt. In Europa hingegen weiß man immer noch nicht, wie man mit den Genome-Editing-Verfahren umgehen und ob man sie den rigiden Gentechnik-Regularien unterwerfe­n soll oder ob die Vorschrift­en für die Erzeugung von Pflanzenmu­tationen ausreichen. Statt wie ursprüngli­ch Ende April geplant, wird die EuGH-Entscheidu­ng nun noch vor dem Sommer erwartet.

Es gibt auch Skepsis. „Es ist eine neue Technologi­e, von der noch nicht bekannt ist, welche Folgen sie für Konsumente­n und Ökosystem hat“, heißt es etwa von Biobauern.

Die heimische Saatzuchtw­irtschaft hofft dennoch, dass auch Österreich keine Steine in den Weg legt. „Das wäre für uns die Chance, an der internatio­nalen Entwicklun­g teilzuhabe­n und den Großen Paroli zu bieten“, sagen Josef Frauendorf­er und Karl Fischer von der Saatbau Linz, Österreich­s größtem Saatzüchte­r. „Es wäre inakzeptab­el, wenn wir diese Möglichkei­t nicht bekämen, aber gleichzeit­ig Produkte, die noch dazu mit einer in Europa entwickelt­en Technologi­e erzeugt werden, importiert würden.“

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BILD: SN/SN/FOTOLIA108­592379 Genome Editing: Veränderun­g in der Züchtung, jedoch im gewohnten System.

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