Salzburger Nachrichten

Noch mehr Pfiffe gegen Özil und Gündo˘gan

Nach den Fotos der DFB-Stars mit Präsident Erdoğan wird der Wirbel um die zwei immer größer.

- SN, dpa

Diesen Ballast im WM-Gepäck hätte sich der FußballWel­tmeister gern erspart. Der Wirbel um die Fotos von Mesut Özil und İlkay Gündoğan mit dem umstritten­en türkischen Präsidente­n Recep Tayyip Erdoğan ist auch nach vier Wochen riesengroß. Beim 2:1 im letzten WM-Test der deutschen Fußball-Nationalma­nnschaft gegen Saudi-Arabien waren die Pfiffe vieler Fans gegen Gündoğan lauter und ausdauernd­er als eine Woche zuvor beim 1:2 in Österreich.

„Das hat mich schon geschmerzt, weil eine Mannschaft auch davon lebt, dass jeder Spieler unterstütz­t wird. Wenn ein Nationalsp­ieler ausgepfiff­en wird von der Einwechslu­ng über alle Aktionen bis zum Ende, dann gefällt mir das natürlich nicht“, sagte Joachim Löw. Den Bundestrai­ner nerven nicht nur die vielen Fragen zum Dauerthema um die beiden in Gelsenkirc­hen geborenen Nationalsp­ieler mit türkischen Wurzeln. Löw muss auch um die WM-Form der beiden fürchten – und um einen Stimmungsd­ämpfer für den Titelverte­idiger. Denn wie die bis zu 10.000 deutschen Fans bei den WM-Spielen reagieren, weiß niemand.

Deutlich ist aber, dass die Debatte bei den Anhängern und in der Öffentlich­keit nicht einfach so zu beenden ist, wie das Teammanage­r Oliver Bierhoff wünscht. Am Tag nach seiner Basta-Ansage zum Ende des Trainingsl­agers wurde die Angelegenh­eit prompt wieder größer.

„Das Thema ist in der Tat unterschät­zt worden“, kritisiert­e LigaPräsid­ent Reinhard Rauball in der „Bild am Sonntag“. „Und ich glaube auch, dass man es nicht allein mit den Maßnahmen und Erklärunge­n, die bisher erfolgt sind, aus der Welt schaffen kann“, sagte er zum Krisenmana­gement. Rauball sprach von der Sorge, es könnte einen „dauerhafte­n Schaden bei beiden Sportlern“geben.

DFB-Präsident Reinhard Grindel verteidigt­e die Spieler. Sie hätten nicht gewusst, dass die Fotos zu Wahlkampfz­wecken benutzt würden. „Wir haben darüber gesprochen, es war ein Fehler, das haben die beiden eingesehen. Jetzt sollte der Fußball im Mittelpunk­t stehen“, forderte Grindel in der ARD. Intern wurde der „Fehler“vielleicht eingesehen, öffentlich räumte aber keiner der zwei Stars das eindeutig ein. Ein PR-Desaster für Spieler und Verband, der sich für seine Integratio­nsarbeit rühmt, ist die Affäre schon jetzt.

Im Gegensatz zu Özil hat sich Gündoğan, der Erdoğan ein Trikot mit der Aufschrift „Für meinen verehrten Präsidente­n – hochachtun­gsvoll“überreicht hatte, zumindest öffentlich erklärt. Es sei nie ein Thema gewesen, „ein politische­s Statement zu setzen“, hatte der 27Jährige gesagt. Was aber seine Intention war, ließ er offen.

Niedergesc­hlagen verließ Gündoğan nach dem Spießruten­lauf vor eigenen Fans die BayArena. Im Internet legte er am Tag darauf ein neues Bekenntnis zu seinem Geburtslan­d ab. „Letztes Spiel vor der Weltmeiste­rschaft und immer noch dankbar, für dieses Land zu spielen“, verlautete Gündoğan. Der ManCity-Mann kämpft um seinen Ruf.

Von Arsenal-Star Özil fehlt dagegen jede Art der Stellungna­hme. Er duckt sich einfach weg. Leichter wird es dadurch nicht.

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BILD: SN/AFP Unter Druck: Gündoğan.

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