Spanien nimmt die „Aquarius“auf und sendet ein Signal
Spanien nimmt die „Aquarius“auf. Doch die Gräben in der Asyl- und Migrationspolitik der EU werden immer größer.
Nach tagelangem Streit darüber, wo das Rettungsschiff „Aquarius“mit mehr als 600 Migranten und Flüchtlingen an Bord anlegen darf, ist das Boot unterwegs Richtung Spanien. Die neue Regierung in Madrid will knapp vor dem nächsten EU-Gipfel ein Signal an die in der Asylpolitik völlig zerstrittene Union senden. Spanien mache das, was ein Land tun müsse.
Die Hilfsorganisationen Ärzte ohne Grenzen und SOS Méditerranée haben vergeblich argumentiert. Das in Italien und Malta abgewiesene Schiff „Aquarius“mit rund 600 aus Seenot geretteten Migranten an Bord hat am Dienstag Fahrt Richtung Spanien aufgenommen. Die viertägige Reise könnte wegen des sich verschlechternden Wetters und der körperlichen Verfassung vieler Menschen an Bord schwierig werden, hatten die Retter gewarnt. Zwei Schiffe der italienischen Küstenwache haben rund 400 Migranten übernommen – vier schwangere Migrantinnen wurden nach Lampedusa gebracht – und begleiten die „Aquarius“nach Valencia.
Die neue sozialistische Regierung Spaniens will mit der Aufnahme der „Aquarius“ein Signal für Europa setzen. Die Aufnahme sei eine „rechtliche Pflicht“, die Spanien „nicht umgehen kann und nicht umgehen will“, sagte Vizeregierungschefin Carmen Calvo in einem Radiointerview. „Hier handelt es sich nicht um Einwanderung, sondern um eine Ausnahmesituation.“Spanien mache das, „was ein Land tun muss“.
Die Regierung in Madrid hatte dem Schiff am Montag die Erlaubnis erteilt, in Valencia anzulegen, „um eine humanitäre Katastrophe zu verhindern“. Das löste in Spanien eine Welle der Hilfsbereitschaft aus. Madrid, Barcelona und Valencia sowie die Regionen Katalonien, Galizien und das Baskenland erklärten sich zur Aufnahme der Flüchtlinge bereit. Die am 1. Juni per Misstrauensvotum abgelöste konservative Volkspartei (PP) warnte hingegen, die Aktion sei eine gefährliche Botschaft, die weitere Migranten anlocken könnte.
Der Fall „Aquarius“macht gut zwei Wochen vor dem nächsten EUGipfel – zur stockenden Reform der Asylpolitik – deutlich, wie tief die Gräben in der Frage zwischen den Mitgliedsstaaten sind. Während Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán die Sperre italienischer Häfen begrüßte, warf Frankreichs Präsident Emmanuel Macron Italiens neuer rechtpopulistischen Regierung „Zynismus und Verantwortungslosigkeit“vor. Premier Giuseppe Conte wird am Freitag in Paris zum Antrittsbesuch erwartet.
Die EU-Kommission hat indes am Dienstag Details zum künftigen Budget für Migration und Asyl vorgelegt, die noch von den EU-Ländern gebilligt werden müssen. 2021 bis 2017 sollen für Grenzschutz, Integration bzw. Rückführungen und den Aufbau der neuen EU-Asylagentur insgesamt 35 Mrd. Euro zur Verfügung stehen – eine Verdreifachung der aktuellen Mittel. 60 Prozent sollen in den Grenzschutz fließen. Unter anderem soll die Grenzschutzagentur Frontex auf 10.000 Mitarbeiter aufgestockt werden. Aus Sicht von ÖVP-Europaparlamentarier Heinz Becker muss die EU schneller reagieren.