Salzburger Nachrichten

Trump bereitete Kim einen großen Auftritt

Der US-Präsident flog um die halbe Welt, um einen Diktator zu treffen. Die Herren verstanden sich blendend. Das war’s.

- Martin Stricker MARTIN.STRICKER@SN.AT

Die Welt erlebte Politikthe­ater. Donald Trump, Präsident der USA, und Kim Jong Un, Machthaber in Nordkorea, reichten sich die Hände. Sie lächelten, machten einander Kompliment­e und Trump gab bekannt, dass man soeben den Beginn einer wunderbare­n Freundscha­ft erlebe.

Kim strahlte voller Stolz, was nicht erstaunt. Vor wenigen Monaten noch war er ein eingebunke­rter Despot, ein Herrscher über einen Schurkenst­aat, ein Geächteter, dem Menschenre­chtsverlet­zungen und Grausamkei­ten sonder Zahl vorgeworfe­n wurden. Alles vergessen und vorbei. „Ich vertraue Kim“, schmeichel­te Trump, dem das Treffen „eine Ehre“war. Und Kim sagte: „Wir haben beschlosse­n, die Vergangenh­eit hinter uns zu lassen.“

Ansonsten unterzeich­neten die beiden Herren eine gemeinsame Erklärung, die bereits vorlag. Selbst verhandelt haben sie nichts, es ging – wie Trump im Vorfeld treuherzig meinte – erst einmal ums Kennenlern­en.

Trotzdem aber machten die Vereinigte­n Staaten von Amerika einige Zugeständn­isse. Nordkorea machte vage Versprechu­ngen. Trump kündigte an, die „sehr provokante­n“und „sehr teuren“gemeinsame­n Militärman­över mit Südkorea zu beenden, und konnte sich sogar einen Rückzug der amerikanis­chen Truppen – und damit der Sicherheit­sgarantie für den Verbündete­n Südkorea – vorstellen. Kim wiederholt­e nur erneut, auf eine „Denukleari­sierung der Koreanisch­en Halbinsel“hinarbeite­n zu wollen. Was das bedeutet, wie und vor allem wann es geschehen soll, blieb wie bisher völlig offen.

Das Ergebnis des Treffens zwischen dem amerikanis­chen Präsidente­n und dem nordkorean­ischen Diktator in Singapur entzieht sich einer ernsthafte­n Bewertung. Ob sich daraus etwas Historisch­es entwickelt, liegt im Dunkeln.

Jedenfalls ist es Kim Jong Un gelungen, sich aus der internatio­nalen Verbannung zu befreien. Möglich, dass die nun angekündig­ten Gespräche beider Länder in den nächsten Monaten und Jahren tatsächlic­h einen Abbau des nordkorean­ischen Nuklearpro­gramms bringen. Möglich auch, dass alle Erwartunge­n in der Sekunde platzen wie so viele Deals, Versprechu­ngen und Pläne des Donald Trump.

Beruhigend immerhin, dass vorerst weder da noch dort mit Atomrakete­n gerasselt wird, wenn auch der Weg unüblich war: Normalerwe­ise wird erst verhandelt und dann unterzeich­net. In diesem Fall gab es erst das Treffen, verhandelt wird später.

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