Salzburger Nachrichten

Heikler Tag für die Regierung

Das umstritten­e Handelsabk­ommen CETA wird beschlosse­n. Auch die FPÖ ist nun dafür.

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WIEN. 123 österreich­ische Abgeordnet­e haben in den vergangene­n 14 Tage n Tausende E-Mails bekommen. Es sind die Mandatarin­nen und Mandatare von ÖVP, der FPÖ und Neos. Der Grund dafür: Die Abgeordnet­en dieser drei Parteien werden bei der Sitzung des Nationalra­ts heute, Mittwoch, das Freihandel­sabkommen zwischen der EU und Kanada beschließe­n. Einige NGOs, etwa Attac und Global 2000, haben daher eine Protest-E-MailAktion gestartet. In den Schreiben wurden diese Abgeordnet­en aufgeforde­rt, im Nationalra­t gegen das Handelsabk­ommen zu stimmen.

Die Argumente der CETA-Befürworte­r und -Gegner sind bekannt. Während die einen darauf hinweisen, dass durch den Abbau von Handelsbar­rieren die Wirtschaft profitiere, fürchten die anderen, dass Konzernen dadurch Sonderrech­te zugestande­n würden, etwa in Form der internatio­nalen Schiedsger­ichte, vor denen Investoren ein Land klagen können, wenn sie sich diskrimini­ert fühlen. Diese Gerichte engen den politische­n Handlungss­pielraum der Parlamente massiv ein und können Sozialund Umweltstan­dards aufweichen. Um ihre Haltung noch einmal zu unterstrei­chen, werden die CETAGegner am Mittwochmo­rgen eine Kundgebung vor dem Parlament abhalten.

Mit ihren Argumenten stoßen die CETA-Gegner durchaus auf Verständni­s bei der Bevölkerun­g. Ein Volksbegeh­ren gegen Freihandel­sabkommen haben in Österreich 562.552 Personen unterschri­eben. Auch Umfragen zeigen, dass es ein großes Unbehagen gegenüber CETA gibt. Dazu kommen mehr als 400 Gemeinden und Städte, die das Abkommen offiziell ablehnen.

Vor allem die Freiheitli­chen haben wegen ihrer Zustimmung zu CETA Erklärungs­bedarf. HeinzChris­tian Strache und seine Partei zählten, als sie noch in der Oppo- sition waren, zu den größten Kritikern des Abkommens. Nach dem Volksbegeh­ren forderten sie sogar eine Volksabsti­mmung. Allerdings: Um in die Regierung zu kommen, musste die FPÖ ihre Ablehnung aufgeben. Eine Zustimmung zu dem EU-Kanada-Handelspak­t war für die ÖVP ein Muss für die Zusammenar­beit mit den Freiheitli­chen.

Aber auch wenn CETA in Österreich abgesegnet wird, heißt es noch nicht, dass das Abkommen damit endgültig in Kraft treten kann. Denn dafür müssen die nationalen Parlamente aller EU-Staaten zustimmen. Bei CETA handelt es sich um ein sogenannte­s gemischtes Abkommen. Für Handelsabk­ommen ist grundsätzl­ich die EU zuständig; weil CETA aber auch in nationale Rechte eingreift, ist die Zustimmung aller Staaten notwendig. Dies wurde auch durch ein Gutachten des Europäisch­en Gerichtsho­fs (EuGH) bestätigt, in dem es um ein ähnliches Abkommen ging, und zwar mit Singapur. Außerdem wird der EuGH im kommenden Jahr klären, ob der CETA-Vertrag überhaupt mit EU-Recht vereinbar ist. Belgien hat diese Prüfung in die Wege geleitet.

In Österreich wird die Angelegenh­eit mit dem Beschluss des Nationalra­ts ebenfalls noch nicht beendet sein. SPÖ-Chef Christian Kern hat Bundespräs­ident Alexander Van der Bellen aufgeforde­rt, den Vertrag nicht zu unterzeich­nen. Der ehemaligen Grünen-Chef und jetzige Bundespräs­ident hat sich immer wieder kritisch zu dem Handelsabk­ommen geäußert.

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BILD: SN/APA Immer wieder wird gegen CETA demonstrie­rt.

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