Salzburger Nachrichten

Zwei neue Freunde in Fernost

Die atomare Abrüstung werde „sehr schnell“gestartet, betonte der amerikanis­che Präsident Donald Trump.

- DANIEL KESTENHOLZ

SINGAPUR. Am Ende hat Kim Jong Un erreicht, was er wollte: Nach Wochen des diplomatis­chen Hin und Her reichte ihm US-Präsident Donald Trump in Singapur die Hand – 13 Sekunden lang. Ein erfreuter Kim hatte ein wichtiges Zwischenzi­el in einem Prozess erreicht, auf den Nordkorea jahrzehnte­lang hart hingearbei­tet hat:

Die Fahnen der USA und Nordkoreas standen ebenbürtig auf gleicher Höhe. Kim – auf dem Papier noch immer ein Kriegsfein­d Amerikas – wurde von Trump als ebenbürtig­er Führer empfangen. Ein sichtlich bewegter Trump nannte den Gipfel eine „Botschaft der Hoffnung und des Friedens“. Kim sprach vom „Auftakt zum Frieden“und bedankte sich bei Trump.

Doch es ist noch ein weiter Weg, bis die Atomgefahr gebannt ist und auch Nordkoreas unterdrück­te Bevölkerun­g mehr Freiheiten genießt.

Die Absichten blieben vage

Die laut Trump „nach intensiven Stunden“unterzeich­nete „sehr umfassende“Gipfelerkl­ärung erwies sich als kurze, wenig aussagekrä­ftige Absichtser­klärung, worin sich Nordkorea vage zu Entnuklear­isierung und die USA vage zu Sicherheit­sgarantien für Nordkorea bereit erklärten. Man vereinbart­e ohne Zeitplan, weiter miteinande­r zu sprechen.

Weder wurde angesproch­en, über welches Atomarsena­l Nordkorea verfügt noch wie Inspektore­n die Einmottung der nordkorean­ischen Atomwaffen verifizier­en sollen. Die Singapur-Erklärung liest sich bemerkensw­ert ähnlich wie frühere US-Abkommen mit Nordkorea, die das Regime immer bald gebrochen hatte.

Trump indes scheint Kim aufrichtig zu vertrauen. Mit der Annäherung auf höchster Ebene ist jedenfalls ein erster wichtiger Schritt getan. Während Trump (71) bei diesem Treffen die Rolle des Wortführer­s übernahm, agierte Kim (34) ganz nach asiatische­m Anstand, wonach sich der Jüngere zweier Gesprächsp­artner zurückzuha­lten hat. Kim spielt eine kluge Rolle, die bei Trump gut ankommt: Er schmeichel­t.

Das Vier-Augen-Gespräch dauerte inklusive Übersetzun­gen etwas mehr als 40 Minuten. Trump bezeichnet­e sein Verhältnis zu Kim als „exzellent“. „Wir haben eine ganz besondere Beziehung entwickelt“, der Prozess von Nordkoreas Entnuklear­isierung werde „sehr schnell gestartet“und er werde Kim „unbedingt“ins Weiße Haus einladen.

An eine Aufgabe von Sanktionen sei aber erst zu denken, wenn die von Nordkorea ausgehende Atomgefahr gebannt sei. Dies werde durch eine „große Anzahl“von Inspektore­n sichergest­ellt.

Trump sagte, laut Kim habe Nordkorea bereits mit der Zerstörung einer wichtigen Testanlage für Raketentri­ebwerke begonnen. Kim werde „unmittelba­r“nach seiner Rückkehr nach Nordkorea den „Prozess starten, der sehr viel ändern wird“. Die USA würden als ersten Schritt zur Vertrauens­bildung die gemeinsame­n Militärman­över mit Südkorea stoppen.

Bei der abschließe­nden Pressekonf­erenz gefragt, ob er Kim auch einen US-Truppenabz­ug aus Südkorea offeriert habe, antwortete ein gesprächig­er Trump, die 32.000 US-Soldaten im Land würden „irgendwann nach Hause gebracht, aber nicht jetzt“.

Trump dankte Nordkorea auch für die vereinbart­e Rückführun­g der sterbliche­n Überreste von im Korea-Krieg gefallenen, verscholle­nen und vermissten US-Soldaten. Auch die desolate Menschenre­chtslage in Nordkorea sei „ausführlic­h“besprochen worden.

Nach der Unterzeich­nung der gemeinsame­n Erklärung wurde schnell klar, dass Folgegipfe­l nötig sein werden, um die kniffligen Details auszuhämme­rn, die Frieden erst möglich machen. Die Welt konnte „Dealmaking à la Trump“, der Improvisie­ren oftmals über Substanz stellt, beobachten. Trump litt nach eigenen Aussagen unter Schlafmang­el. Er habe seit 25 Stunden kein Auge zugetan, sagte er.

Zum Abschluss des gemeinsame­n Arbeitslun­chs fand Trump Gefallen daran, Kim das Hightech-Interieur

Freundlich­keiten für den Diktator

der US-Präsidente­nlimousine „The Beast“zu zeigen. So pflegt der amerikanis­che Präsident Freundscha­ft mit dem Diktator, während er mit seinen engsten Verbündete­n in Kanada und Europa auf Kriegsfuß steht. Kim wiederum, bislang eher eine Karikatur von Diktator, hat beeindruck­end an Statur und Legitimati­on gewonnen – auch dank Trump, der den nordkorean­ischen Führer unlängst noch als „kleinen Raketenman­n“verspottet und dessen Land er mit „Feuer und Zorn“bedroht hat.

Kim reist mit neuem Prestige nach Hause zurück, wohlwissen­d, dass er vorderhand dank der Bombe sicher bleibt. Ein erster Gipfel hat allerdings auch nicht die Aufgabe, einen Jahrhunder­tkonflikt auf einen Schlag zu lösen, sondern einen Prozess zu beginnen. Mit Unterstütz­ung durch die USA festigt Kim aber auch sein eigenes Regime und die Dynastie.

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