Zwei neue Freunde in Fernost
Die atomare Abrüstung werde „sehr schnell“gestartet, betonte der amerikanische Präsident Donald Trump.
SINGAPUR. Am Ende hat Kim Jong Un erreicht, was er wollte: Nach Wochen des diplomatischen Hin und Her reichte ihm US-Präsident Donald Trump in Singapur die Hand – 13 Sekunden lang. Ein erfreuter Kim hatte ein wichtiges Zwischenziel in einem Prozess erreicht, auf den Nordkorea jahrzehntelang hart hingearbeitet hat:
Die Fahnen der USA und Nordkoreas standen ebenbürtig auf gleicher Höhe. Kim – auf dem Papier noch immer ein Kriegsfeind Amerikas – wurde von Trump als ebenbürtiger Führer empfangen. Ein sichtlich bewegter Trump nannte den Gipfel eine „Botschaft der Hoffnung und des Friedens“. Kim sprach vom „Auftakt zum Frieden“und bedankte sich bei Trump.
Doch es ist noch ein weiter Weg, bis die Atomgefahr gebannt ist und auch Nordkoreas unterdrückte Bevölkerung mehr Freiheiten genießt.
Die Absichten blieben vage
Die laut Trump „nach intensiven Stunden“unterzeichnete „sehr umfassende“Gipfelerklärung erwies sich als kurze, wenig aussagekräftige Absichtserklärung, worin sich Nordkorea vage zu Entnuklearisierung und die USA vage zu Sicherheitsgarantien für Nordkorea bereit erklärten. Man vereinbarte ohne Zeitplan, weiter miteinander zu sprechen.
Weder wurde angesprochen, über welches Atomarsenal Nordkorea verfügt noch wie Inspektoren die Einmottung der nordkoreanischen Atomwaffen verifizieren sollen. Die Singapur-Erklärung liest sich bemerkenswert ähnlich wie frühere US-Abkommen mit Nordkorea, die das Regime immer bald gebrochen hatte.
Trump indes scheint Kim aufrichtig zu vertrauen. Mit der Annäherung auf höchster Ebene ist jedenfalls ein erster wichtiger Schritt getan. Während Trump (71) bei diesem Treffen die Rolle des Wortführers übernahm, agierte Kim (34) ganz nach asiatischem Anstand, wonach sich der Jüngere zweier Gesprächspartner zurückzuhalten hat. Kim spielt eine kluge Rolle, die bei Trump gut ankommt: Er schmeichelt.
Das Vier-Augen-Gespräch dauerte inklusive Übersetzungen etwas mehr als 40 Minuten. Trump bezeichnete sein Verhältnis zu Kim als „exzellent“. „Wir haben eine ganz besondere Beziehung entwickelt“, der Prozess von Nordkoreas Entnuklearisierung werde „sehr schnell gestartet“und er werde Kim „unbedingt“ins Weiße Haus einladen.
An eine Aufgabe von Sanktionen sei aber erst zu denken, wenn die von Nordkorea ausgehende Atomgefahr gebannt sei. Dies werde durch eine „große Anzahl“von Inspektoren sichergestellt.
Trump sagte, laut Kim habe Nordkorea bereits mit der Zerstörung einer wichtigen Testanlage für Raketentriebwerke begonnen. Kim werde „unmittelbar“nach seiner Rückkehr nach Nordkorea den „Prozess starten, der sehr viel ändern wird“. Die USA würden als ersten Schritt zur Vertrauensbildung die gemeinsamen Militärmanöver mit Südkorea stoppen.
Bei der abschließenden Pressekonferenz gefragt, ob er Kim auch einen US-Truppenabzug aus Südkorea offeriert habe, antwortete ein gesprächiger Trump, die 32.000 US-Soldaten im Land würden „irgendwann nach Hause gebracht, aber nicht jetzt“.
Trump dankte Nordkorea auch für die vereinbarte Rückführung der sterblichen Überreste von im Korea-Krieg gefallenen, verschollenen und vermissten US-Soldaten. Auch die desolate Menschenrechtslage in Nordkorea sei „ausführlich“besprochen worden.
Nach der Unterzeichnung der gemeinsamen Erklärung wurde schnell klar, dass Folgegipfel nötig sein werden, um die kniffligen Details auszuhämmern, die Frieden erst möglich machen. Die Welt konnte „Dealmaking à la Trump“, der Improvisieren oftmals über Substanz stellt, beobachten. Trump litt nach eigenen Aussagen unter Schlafmangel. Er habe seit 25 Stunden kein Auge zugetan, sagte er.
Zum Abschluss des gemeinsamen Arbeitslunchs fand Trump Gefallen daran, Kim das Hightech-Interieur
Freundlichkeiten für den Diktator
der US-Präsidentenlimousine „The Beast“zu zeigen. So pflegt der amerikanische Präsident Freundschaft mit dem Diktator, während er mit seinen engsten Verbündeten in Kanada und Europa auf Kriegsfuß steht. Kim wiederum, bislang eher eine Karikatur von Diktator, hat beeindruckend an Statur und Legitimation gewonnen – auch dank Trump, der den nordkoreanischen Führer unlängst noch als „kleinen Raketenmann“verspottet und dessen Land er mit „Feuer und Zorn“bedroht hat.
Kim reist mit neuem Prestige nach Hause zurück, wohlwissend, dass er vorderhand dank der Bombe sicher bleibt. Ein erster Gipfel hat allerdings auch nicht die Aufgabe, einen Jahrhundertkonflikt auf einen Schlag zu lösen, sondern einen Prozess zu beginnen. Mit Unterstützung durch die USA festigt Kim aber auch sein eigenes Regime und die Dynastie.