Salzburger Nachrichten

Der österreich­ische Wirt: Gerupft vom Staat, gegrillt vom Gast

Wenn die Mass Bier auf der Münchner Wiesn mehr kostet als ein Schnitzel im Wirtshaus – dann ist was faul in der Gastronomi­e.

- Peter Gnaiger PETER.GNAIGER@SN.AT

So geht Gastronomi­e in Bayern: Josef Schmid (CSU), der zweite Bürgermeis­ter von München, hat einen Antrag zur Pachterhöh­ung beim Oktoberfes­t 2018 eingebrach­t. Der Münchner Stadtrat hat zugestimmt. Und zwoa, drei, gsuffa wird der Preis der Mass pfundig erhöht. Münchner Medien berauschen sich bereits an einer mutmass… – Pardon, an einer mutmaßlich­en Rekordmark­e von 11,95 Euro. Nüchtern betrachtet ist aber eher ein Preis von 11,65 Euro zu erwarten. Die erhöhte Umsatzpach­t steht mit 35 Cent pro Mass zu Buche. Dann kommen noch die „üblichen“25 bis 30 Cent „für sonstige Mehrkosten und Preissteig­erungen“hinzu. Die schlagen die Festwirte jährlich sowieso drauf wie das Amen im Gebet. Eine Spezialitä­t der Wiesn-Wirte ist es auch noch, einen scheuen Hinweis zu geben, wie teuer die Mass wäre, hätten sie nicht so eine soziale Ader. Das erledigten bereits famos die Wirtesprec­her Peter Inselkamme­r und Christian Schottenha­mel. Sie meinten, dass der Liter Bier auf der Wiesn so Daumen mal Pi um die 17 Euro kosten müsste – wenn man nur halbwegs gesund wirtschaft­en wollte. Da bleibt nur zu sagen: Luja sog i!

Die Teufelsküc­he tippt übrigens auf einen Mass-Preis von 11,80 Euro – und dass auf der Wiesn mehr getrunken wird als je zuvor. Beim Münchner Oktoberfes­t herrscht eben Transparen­z. Da wird die Höhe der Pacht kommunizie­rt, der Bierpreis sowieso und auch die „üblichen Mehrkosten“. Da weiß der Gast Bescheid. Und natürlich weiß er – zumindest noch vor der ersten Mass –, dass ein bescheiden­er Liter Bier im Zelt nie mehr kosten dürfte als ein Hauptgeric­ht im Wirtshaus. Jesus hat aus Wasser nur Wein gemacht. Brauereien versilbern ein Industriep­rodukt als goldenen Gerstensaf­t.

Dass ein Schnitzel billiger als eine Mass Bier sein kann, das muss jeder Land- und Gastwirt als Hohn empfinden. Aber Wirte lassen sich auch in anderer Hinsicht unterbutte­rn. Die Hoteliers kennen Haupt-, Zwischen- und Nebensaiso­nen – mit extrem unterschie­dlichen Preisen. Hand aufs Herz: Würden Sie so ein System auch Ihrem Wirt um die Ecke durchgehen lassen? Dabei könnte er auch gut mit höheren Personalko­sten an Sonn- und Feiertagen argumentie­ren. Würde er diese Kosten ähnlich wie die Wiesn-Wirte an seine Gäste weitergebe­n, dann wären ihm wohl Schimpf und Schande gewiss. Warum überhaupt? Er würde nur sauber wirtschaft­en und könnte sich womöglich eines Tages einen zweiten Ruhetag „leisten“. Wundert sich da noch jemand, dass keiner mehr in der Gastronomi­e arbeiten will und ein Wirt nach dem anderen das Handtuch wirft?

Stolz sind die Wirte heute offenbar nur noch auf der Wiesn. In Österreich erinnern sie an Hühner: gerupft vom Staat, gegrillt vom Gast.

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