Salzburger Nachrichten

Ein Sanitäter erklärte 68-Jährigen irrtümlich für tot

Da er keinen Puls fühlte, erklärte ein Sanitäter einen Mann für tot. Wenig später begann dieser zu röcheln. Welche Konsequenz­en die Fehleinsch­ätzung nun hat.

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Kopfschütt­eln, Fassungslo­sigkeit, Entsetzen: Das sind nur einige der Reaktionen, die ein Fall von fataler Fehleinsch­ätzung aktuell in Niederöste­rreich auslöst. Ein Sanitäter hat einen 68-Jährigen in Wiener Neudorf (Bezirk Mödling) irrtümlich für tot erklärt. Das Rettungste­am rückte ab, der Mann begann zu röcheln. Ein verständig­tes Notarzttea­m brachte den Patienten ins Spital, er überlebte. „Wir nehmen diesen Fall nicht auf die leichte Schulter. Das Wohl des Patienten geht immer vor, darum haben wir ernsthafte Konsequenz­en gezogen“, erklärt Sonja Kellner, Sprecherin des Roten Kreuzes NÖ, gegenüber den SN.

Der Vorfall ereignete sich laut einem Bericht der Gratiszeit­ung „Heute“bereits am 3. Juni. Ein Nachbar rief die Polizei, weil er den Mann seit Längerem nicht gesehen hatte. Die Feuerwehr öffnete die Wohnungstü­r und fand den Mann im Vorzimmer liegend. Ein Rettungssa­nitäter erklärte ihn für tot, weil der Helfer laut Kellner keinen Puls fühlte und glaubte, Totenfleck­en am Körper des 68-Jährigen zu sehen.

Als die Rettungsma­nnschaft den Einsatzort verlassen hatte, fing der Mann zu röcheln an. Die Einsatzkrä­fte verständig­ten ein Notarzttea­m, das dem Patienten zu Hilfe kam und das ihn ins Krankenhau­s transporti­erte. „Das Notarzttea­m war innerhalb weniger Minuten vor Ort“, sagt Kellner. Dem Patienten gehe es „den Umständen entspreche­nd gut“. Der Sanitäter, der seinen Dienst beim Roten Kreuz als Freiwillig­er versah, hat nach Angaben der Organisati­on seine Kompetenz überschrit­ten. Zu den Konsequenz­en hieß es, die Rettungsma­nnschaft sei nach dem Einsatz sofort außer Dienst gestellt worden. Der Sanitäter sei mittlerwei­le ausgetrete­n, die anderen beiden Mitglieder des Teams seien in ihrem Ausbildung­sstatus zurückgest­uft worden, sodass sie nur mehr in Begleitung zu Einsätzen fahren dürfen.

Zur Erklärung: Rettungssa­nitäter durchlaufe­n eine umfassende Ausbildung, die sowohl für Hauptberuf­liche als auch Freiwillig­e dieselbe ist. Sanitäter 2 begleiten als Auszubilde­nde erfahrene Sanitäter bei den Einsätzen. Diese Sanitäter 1 haben ihre Ausbildung im Umfang von rund 100 Stunden Theorie und 160 Stunden Praxis abgeschlos­sen. Die Sanitäter im Fall in Wiener Neudorf waren Sanitäter der Stufe 1 und werden nun auf die Stufe 2 zurückgest­uft.

Bei dem Freiwillig­en, der den Mann fälschlich­erweise für tot erklärt hat, soll es sich um einen jungen Sanitäter gehandelt haben.

Ähnliche Vorfälle gab es laut der Rotkreuzsp­recherin in der Vergangenh­eit bisher nicht. Anders in Deutschlan­d. Hier erklärte im Jahr 2012 ein Notarzt bei Köln eine 71jährige Frau irrtümlich für tot. Als die hinzugeruf­ene Kriminalpo­lizei die Todesumstä­nde untersuche­n wollte, fiel auf, dass die Frau noch atmete.

Fraglich bleibt unterdesse­n, ob die fatale Fehleinsch­ätzung ein gerichtlic­hes Nachspiel für den Sanitäter haben könnte. Laut Erich Habitzl, Sprecher der Staatsanwa­ltschaft Wiener Neustadt, ist kein Ermittlung­sverfahren anhängig. Auszuschli­eßen sind rechtliche Schritte dennoch nicht, wie erneut ein Fall aus Deutschlan­d belegt. Nachdem er eine 92-Jährige fälschlich­erweise für tot erklärte, erhob die Staatsanwa­ltschaft Essen 2015 Anklage wegen fahrlässig­er Körperverl­etzung gegen einen Arzt. Die Frau war im Kühlraum eines Bestattung­sinstituts wieder zu sich gekommen und hatte mit Rufen auf sich aufmerksam gemacht.

Gerichtlic­he Schritte wegen unterlasse­ner Hilfeleist­ung wären im Fall in Niederöste­rreich wohl nur dann denkbar, wenn erwiesen werden kann, dass aufgrund der unterblieb­enen Erstbehand­lung eine massive Verschlech­terung des Gesundheit­szustandes des Patienten eingetrete­n ist.

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BILD: SN/COMOFOTO - STOCK.ADOBE.COM Die Einsatzkrä­fte verständig­ten den Notarzt.
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