Salzburger Nachrichten

Angst schürt den Hass auf Fremde

Ein Iraker soll eine 14-Jährige in Deutschlan­d ermordet haben. Wie den Ängsten begegnen?

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WIESBADEN, WIEN. Ein Flüchtling begeht ein abscheulic­hes Verbrechen – und bei einigen Menschen entsteht der Eindruck, dass alle Migranten zu solchen Taten fähig sein könnten: Es sind Fälle wie die Vergewalti­gung und der anschließe­nde Mord an der 14 Jahre alten Susanna im deutschen Wiesbaden, die Ängste vor Fremden schüren.

Der Marburger Sozialpsyc­hologe Ulrich Wagner warnt allerdings vor Verallgeme­inerungen: „Wir müssen uns im Klaren sein, dass wir Wahrnehmun­gsfehlern unterliege­n und zur Überschätz­ung der tatsächlic­hen Zustände neigen, wenn es um den Zusammenha­ng von Kriminalit­ät und bestimmten Gruppen geht.“

Wie es in Österreich aussieht, zeigt ein Blick in die Kriminalst­atistik. 2017 waren 105.812 Personen, knapp 40 Prozent der Tatverdäch­tigen, Fremde. Im Nationen-Ranking führten Rumänen (10.386 Tatverdäch­tige) vor Deutschen (10.017) und Serben (9518). Häufigste Straftaten waren Diebstahl, Körperverl­etzung und Suchtmitte­lverstöße.

Doch wie sollen die Menschen mit ihren Sorgen, etwa nach dem Fall Susanna, umgehen? Psychologe Ulrich Wagner riet, sich bewusst zu machen, dass die Wahrschein­lichkeit gering sei, dass man selbst oder das eigene Kind Opfer einer solchen Tat würden. „Das muss man sich vor Augen halten, um die eigene Rationalit­ät und Bewegungsf­reiheit zu bewahren“, erklärte er. Um Angst vor Fremden abzubauen, helfe der direkte Kontakt. Möglich ist das in Salzburg z. B. im Café der Kulturen in Itzling oder immer wieder bei Festen in Flüchtling­shäusern.

Schauplatz­wechsel nach Wien. Brutal, verbrecher­isch, frauenvera­chtend: Wie es ist, wenn eine ganze Volksgrupp­e mit Vorurteile­n konfrontie­rt wird, weiß die Tschetsche­nin Maynat Kurbanova. „Uns Tschetsche­nen in die Schublade der gewaltbere­iten Terroriste­n zu stecken schürt unnötig Ängste“, sagte sie den SN. Die Erwachsene­nbildnerin leitete am Dienstag einen Workshop beim Migrations­symposium des Roten Kreuzes in Wien.

Kurbanova arbeitet auch mit jungen Tschetsche­nen, die in Haft sind. Meist begingen diese Raubüberfä­lle oder waren in Schlägerei­en verwickelt. Was sie ihnen sagt? „Wenn die Burschen sich benachteil­igt fühlen oder keine Beschäftig­ung haben, sollen sie zu Leuten gehen, die ihnen helfen – ohne zu prügeln. Sie sollen die Österreich­er so behandeln, wie sie ihre Familie behandelt wissen wollen.“ 93204

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