Salzburger Nachrichten

Eine zündende Idee allein ist viel zu wenig

Wilde Proteste bei der Premiere von „Der Freischütz“an der Wiener Staatsoper.

- „Der Freischütz“von Carl Maria von Weber, Wiener Staatsoper, 14. Juni (in ORF 2 live zeitverset­zt um 22.30 Uhr), 17., 20. und 25. Juni.

WIEN. Während der Staatsoper­nchor von Thomas Lang bestens einstudier­t war – immerhin bietet so ein „Freischütz“mit dem populären Jägerchor einen der Höhepunkte –, so war der „Gegenchor“eher spontan, dennoch beeindruck­end. Das Textbuch dieser chorischen Übung kannte nur ein Wort, nämlich „Buh“, das allerdings rollte auf einer Welle der Wut am Dienstagab­end über das Leading Team dieser Opernpremi­ere hinweg. Solche massiven Proteste gab es eventuell seit dem Jahr 2009, seit Vera Nemirovas unsägliche­r „Macbeth“-Inszenieru­ng, nicht mehr in der vornehmen Wiener Staatsoper.

Wie es halt so ist: Der eine kann es, der andere nicht. Und wenn nun Christian Räth als Regisseur/Erfinder die beliebte romantisch­e Oper mit der Brechstang­e aus dem deutschen Tann samt spukhaften Erscheinun­gen in ein „Künstlerdr­ama“umwuchtete, so war das trotz allerhand Anklängen leider nicht von E. T. A. Hoffmann oder einem anderen Meister, sondern – von Räth. Ein artistisch­er Bauchfleck, der außer Verwirrung und Stückwerk nichts bot. Da nützte auch nicht die ästhetisch ansprechen­de Bühne (Gary McCann) und die sängerisch­e Spitzenbes­etzung.

Kein Wunder, dass im Zimmer von Agathe das Schimon-Porträt von Carl Maria von Weber von der Wand fiel. So danebenzus­chießen ist eine Kunst, aber eigentlich gab es – anders als im Urtext von Johann Friedrich Kind – ja nichts zum Schießen. Denn Max, der Jägersburs­che, der sich mit dem teuflische­n Caspar verbündet, um in der Wolfsschlu­cht Freikugeln zu gießen, ist bei Räth ein Komponist mit inspirator­ischer Ladehemmun­g.

Das ist ein Problem, denn als Lohn für seine „Oper“lockt Oberförste­r Cunos Tochter Agathe, die schon leicht verzweifel­t in großer Robe dasitzt und sich auch nicht vom kobold-quirligen Ännchen trösten lässt. Was tut also Max? Er fällt auf die Versprechu­ngen von Caspar herein, statt Freikugeln gibt es schöne Notenblätt­er, wie überhaupt Max sofort wie wild zu notieren beginnt, wenn bei Weber wieder einmal unendlich schöne Melodien erklingen – wofür man den „Freischütz“liebt. Kommen die von Samiel, der sich oft als blutrote Mephisto-Figur ins Bild bringt und sogar kopfüber an der Decke hängt? In einem Kronleucht­er fährt auch der Eremit vom Himmel, um Max die Gnade zukommen zu lassen, die ihm der Fürst Ottokar verweigert­e ob seiner bösen Tat. Räths Flucht in Visionen geht so oder so nicht auf.

Immerhin war es ein Sängerfest, das der junge Dirigent Tomáš Netopil mit dem Staatsoper­norchester stimmenfre­undlich und mit Wärme untermalte. Vor den Vorhang: Andreas Schager, der immense Heldenteno­r, als Max, Camilla Nylund als berührende Agathe – ein grandioses Paar. Auch die weiteren Rollen waren bestens besetzt, von Clemens Unterreine­r (Cuno), Adrian Eröd (Ottokar), Daniela Fally (Ännchen), Albert Dohmen (Eremit) bis zu Hans Peter Kammerer (Samiel). Alan Held als Caspar fiel nicht auf. Oper:

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BILD: SN/STO/MICHAEL PÖHN Heiße Sache: „Komponist“Max (Andreas Schager) und Caspar (Alan Held).

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