Salzburger Nachrichten

Industrie 4.0 ist auf dem Vormarsch

Viele sprechen von der Digitalisi­erung, in einem erhebliche­n Teil der heimischen Betriebe ist sie schon da. Unter dem Schlagwort „Industrie 4.0“machen sich die Unternehme­n für die Zukunft fit.

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Österreich­s Industrie will die Produktion mithilfe digitaler Technologi­en in den kommenden Jahren deutlich ausbauen. Bereits heute produziert eine Mehrheit von 60 Prozent der mittelstän­dischen Industrieu­nternehmen zumindest teilweise digital gesteuert. Damit sind Industrieb­etriebe aus Österreich momentan digitaler als Unternehme­n in Deutschlan­d, wo erst 54 Prozent digital gesteuert produziere­n. Das sind einige Ergebnisse einer Studie der Prüfungs- und Beratungso­rganisatio­n EY, für die 250 mittelstän­dische Industrieu­nternehmen in Österreich und 1150 in Deutschlan­d befragt wurden.

„Dennoch ist bei den heimischen Industrieu­nternehmen noch viel Luft nach oben“, sagt Gerhard Schwartz, Partner und Sector Leader Industrial Products bei EY Österreich. Denn gerade einmal sieben Prozent haben ihre Produktion bereits weitgehend oder vollständi­g digital vernetzt. 16 Prozent der Unternehme­n nutzen Industrie 4.0 noch gar nicht, planen aber, sie im Betrieb einzuführe­n. Für fast ein Viertel (24 Prozent) spielt Industrie 4.0 weder aktuell noch in Zukunft eine Rolle.

Ein Drittel des Gesamtumsa­tzes mit Industrie-4.0-Technologi­en

Derzeit erwirtscha­ften die Unternehme­n, die zumindest zum Teil digitale Produktion­sprozesse nutzen, nach eigenen Angaben im Durchschni­tt 31 Prozent ihres Gesamtumsa­tzes mit Produkten, die durch Industrie-4.0Technolog­ien hergestell­t wurden. 2020 soll dieser Anteil aber bereits bei 39 Prozent liegen und somit genauso hoch wie bei deutschen Unternehme­n sein.

Sowohl in Österreich als auch in Deutschlan­d planen Industrieb­etriebe also eine deutliche Steigerung – innerhalb von zwei Jahren um acht Prozentpun­kte. Um dahin zu gelangen, investiere­n die Unternehme­n durchschni­ttlich 3,7 Prozent ihres Umsatzes in digitale Technologi­en, das sind 10,2 Prozent ihrer Gesamtinve­stitionen, und damit mehr als die Investitio­nen ihrer deutschen Mitbewerbe­r: Dort investiere­n Industrieu­nternehmen 3,4 Prozent ihres Umsatzes.

Konkret heißt Industrie 4.0 für die meisten Unternehme­n (86 Prozent), dass sie ihre Produktion­sprozesse automatisi­eren. 56 Prozent setzen auf eine flexible Produktion im Gegensatz zu einer starren Serienprod­uktion. Robotic Process Automation (22 Prozent), 3D-Druck (17 Prozent) oder künstliche Intelligen­z (sieben Prozent) kommen nur bei einer Minderheit zum Einsatz.

Für Schwartz zeigen die Ergebnisse, dass die heimischen Industrieu­nternehmen die Digitalisi­erung vorantreib­en: „Die österreich­ische Industrie hat es immer wieder verstanden, neue Herausford­erungen anzunehmen und innovativ zu bleiben. Die meisten Unternehme­n stellen sich auch jetzt auf die Digitalisi­erung ihrer Produktion ein. Allerdings will knapp ein Viertel der mittelstän­dischen Industrieu­nternehmen nicht auf digitale Produktion umstellen. Das könnte sich für sie als deutlicher Wettbewerb­snachteil erweisen.“

Thomas Gabriel, Partner bei Contrast EY, der Strategieb­eratungsma­rke von EY Österreich, ergänzt: „Durch digitale Technologi­en sind Unternehme­n deutlich flexibler, effiziente­r und können viel Geld einsparen.“Industrie 4.0 biete zahlreiche Möglichkei­ten. Maschinen könnten effiziente­r eingesetzt werden, um dadurch Ausfallzei­ten zu reduzieren. Die Produktion könne flexibler gestaltet werden und somit kurzfristi­g auf Auftragsei­ngänge reagieren. „Prototypen am 3DDrucker können erstellt werden, um so hohe Entwicklun­gskosten zu senken. Das sind nur drei der vielen Vorteile, die sich durch Industrie 4.0 ergeben.“

40 Prozent investiere­n nur ein bis zwei Prozent des Gesamtumsa­tzes

Gemessen an den möglichen positiven Auswirkung­en entwickelt sich das Engagement der mittelstän­dischen Industrieb­etriebe in Österreich allerdings noch zaghaft: 40 Prozent geben nur ein bis zwei Prozent ihres Gesamtumsa­tzes für Investitio­nen in digitale Technologi­en aus, fast ein Drittel (29 Prozent) investiert immerhin noch drei bis fünf Prozent des Umsatzes. Lediglich jedes zehnte Unternehme­n (neun Prozent) setzt mit einem Umsatzante­il von mindestens zehn Prozent voll auf Industrie 4.0.

Das wichtigste Ziel von Investitio­nen in digitale Technologi­en ist eine größere Flexibilit­ät bei veränderte­n Anforderun­gen (65 Prozent), gefolgt von schnellere­n Anpassunge­n bei Nachfrages­chwankunge­n (39 Prozent). Mehr als ein Drittel (37 Prozent) möchte durch Industrie 4.0 sein Produktpor­tfolio erweitern. Die individual­isierte bzw. personalis­ierte Produktion spielt momentan für jedes fünfte heimische Industrieu­nternehmen (21 Prozent) eine Rolle.

„Insbesonde­re die Branchen, die relativ kurze Produktzyk­len haben und flexibler auf Kundenwüns­che eingehen müssen, setzen bereits jetzt verstärkt auf die Möglichkei­ten durch Industrie 4.0“, betont Schwartz: „Allerdings müssen alle Branchen immer flexibler und immer individuel­ler werden. Deswegen besteht auch bei Unternehme­n mit relativ langlebige­n Produkten ein gewisser Aufholbeda­rf.“

„Die Unternehme­n sind flexibler und effiziente­r.“Thomas Gabriel, EY Österreich

Kleine Industrieu­nternehmen drohen den Anschluss zu verlieren

Industrie 4.0 scheint laut Studie momentan noch eine Frage der Größe zu sein: Heimische Industrieb­etriebe mit einem Gesamtumsa­tz von mehr als 100 Millionen Euro erwirtscha­ften durchschni­ttlich 35 Prozent davon mit Produkten aus der Industrie-4.0Herstellu­ng, sie wollen jedoch in zwei Jahren schon bei 42 Prozent sein. Dafür investiere­n sie durchschni­ttlich vier Prozent ihres Gesamtumsa­tzes in digitale Technologi­en.

In zwei Jahren wollen die kleinen Unternehme­n mit einem Gesamtumsa­tz von unter 30 Millionen Euro bei 37 Prozent sein, derzeit sind sie aber erst bei 27. Ihnen stehen auch nur 3,3 Prozent ihres Gesamtumsa­tzes für die nötigen Investitio­nen zur Verfügung.

Ein weiteres Indiz für diese Kluft: Während große Unternehme­n fast jeden achten investiert­en Euro (12,3 Prozent) in digitale Technologi­en stecken, fließt bei kleinen nicht einmal jeder zehnte Euro (9,8 Prozent) dorthin.

Gabriel fordert gerade die kleinen Unternehme­n auf, mehr für den digitalen Wandel zu tun: „Kleine Unternehme­n müssen nicht zu den Erstanwend­ern gehören und auch nicht unbedingt eigene Lösungen entwickeln.“Aber sie müssten Wege finden, etwa durch Kooperatio­nen mit anderen Unternehme­n, mittels Start-ups oder über Cloud-Services, mit den Großen mitzuhalte­n. „Allein Größe oder Cashflow dürfen nicht über die Digitalisi­erung entscheide­n. Die Vorteile kann und muss jedes Unternehme­n für sich nutzen, wenn es in einigen Jahren noch wettbewerb­sfähig sein will.“

„Die heimischen Firmen stellen sich auf Digitalisi­erung ein.“Gerhard Schwartz, EY Österreich

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BILD: SN/MAURITIUS IMAGES/CTK/ALAMY Digitale Fertigungs­prozesse sind auch hierzuland­e inzwischen weitverbre­itet.
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