Heimweh vergeht nicht immer
Eine Untersuchung mit Auslandsstudenten zeigte, dass Heimweh unter günstigen Umständen rasch abflaut. Doch für Emigranten, für die es kein Zurück gibt, gilt das nicht.
Heimweh ist kein Kinkerlitzchen. Der Baseler Mediziner Johannes Hofer beschrieb es 1688 als Ursache schweren Leidens, als Schweizer Soldaten abseits der Heimat so schwermütig wurden, dass sie die Kraft verließ. Sie magerten ab, fieberten, manche von ihnen starben.
Ja, damals, so könnte man meinen, war das so, aber heute? Die Menschheit ist mobil, sie ist über Smartphones mit der Welt und dem Zuhause verbunden und hält sich nicht mit vermeintlichen Sentimentalitäten auf. Eine Untersuchung scheint das zu bestätigen: Wissenschafter der Karl-Landsteiner-Privatuniversität Krems, der University of Cambridge in Großbritannien und der Universität Konstanz am Bodensee haben eine drei Monate dauernde Studie zum Heimweh durchgeführt. Erstmals gelang es ihnen, die Gefühlswelt Betroffener direkt während eines Auslandsaufenthaltes zu erfassen. Das Werkzeug dafür war eine eigens dafür konzipierte Smartphone-App, wie Stefan Stieger vom Department für Psychologie und Psychodynamik der Privatuniversität Krems erklärt: „Die meisten bisherigen Studien wurden zu einem Zeitpunkt durchgeführt, als die Betroffenen wieder heimgekehrt waren. Die Aussagen der Personen wurden dabei durch die Erinnerung beeinflusst. Diesen Einfluss konnten wir durch die App eliminieren.“
Diese forderte die Beteiligten auf, einen Heimwehfragebogen zu beantworten. Insgesamt nahmen 150 Probanden im Alter von 18 bis 29 Jahren freiwillig an der Studie teil.
Das Ergebnis: Heimweh war zu Beginn eines Auslandsaufenthalts am stärksten, danach flaute es rasch ab. Personen, die zu emotionaler Instabilität neigen, empfanden Heimweh stärker als andere Betroffene – genauso wie Personen, die sehr umgänglich erschienen. „Das lässt sich vielleicht damit erklären, dass so veranlagte Personen darunter leiden, dass sie den Wünschen und Bedürfnissen von Freunden und Familie zu Hause nicht mehr ausreichend gerecht werden können“, sagt Stefan Stieger.
Faktoren, die das Heimweh günstig beeinflussen, sind die freiwillige Bereitschaft, ins Ausland zu gehen, die Identifikation mit der Gastnation und deren Unterstützung beim Einleben. All dies zeigt auch, dass die Untersuchung mit einer Gruppe von Probanden stattfand, die unter sehr günstigen Bedingungen ihre Heimat kurzfristig verließen.
Aus der Traumaforschung für die Generation jener Menschen, die in Europa Kriege, Hunger, Todesangst, Verlust und Vertreibung erlebten und die nicht sofort in ihrem Exil willkommen waren, ist bekannt, dass die Folgen dieser schrecklichen Erlebnisse lang anhalten können. Mit Heimweh kämpfen manche von ihnen noch immer: Sie vermissen Gerüche, Landschaften, kulinarische Spezialitäten, einen Dialekt, das andere Klima, anderen Humor. Sie vermissen jenen Ort, an dem sie sich nicht erklären müssen – und das mitunter ein Leben lang.