Salzburger Nachrichten

Trotz des geplanten Fußballfes­ts häufen sich Repressali­en

Russlands Sicherheit­sorgane bereiten die Weltmeiste­rschaft im eigenen Land auf ihre ganz eigene Art vor.

- Berichtet aus Moskau

Vor den Olympische­n Winterspie­len in Sotschi 2014 wurden mit Michail Chodorkows­ki und zwei Mitglieder­n der Protestban­d Pussy Riot mehrere prominente Opfer der russischen Justiz auf freien Fuß gesetzt, vor der Fußball-WM 2018 fehlen solche Gnadenerwe­ise. Die umstritten­e Strafsache gegen den Moskauer Regisseur Kiril Serebrenni­kow läuft weiter auf Prozess und Schuldspru­ch hinaus; sein ukrainisch­er Kollege Oleg Senzow, in Russland als angebliche­r Terrorist zu 20 Jahren Gefängnis verurteilt, ist seit Mitte Mai im Hungerstre­ik.

Trotz des Weltfußbal­lfests häufen sich Repressali­en. „Es scheint, als wollten die Sicherheit­sorgane gerade jetzt beweisen, wie tüchtig sie sind“, sagt der Menschenre­chtler Lew Ponomarjow. In der tschetsche­nischen Hauptstadt Grosny wurde Ujub Titijew, Regionalch­ef der Menschenre­chtsorgani­sation Memorial, als mutmaßlich­er Drogenhänd­ler verhaftet. In Pensa und Sankt Petersburg sollen nach Aussage von Menschenre­chtlern und Betroffene­n Vernehmung­sbeamte des Inlandsgeh­eimdienste­s FSB mehrere junge Regimekrit­ikerinnen mit Stromstöße­n gefoltert haben, um sie zu zwingen, sich selbst als Extremiste­n zu bezeichnen. Acht sitzen in russischen Gefängniss­en, zwei sind nach Finnland geflohen. In Orjol wird einem Anhänger der inzwischen verbotenen Zeugen Jehovas der Prozess gemacht – wegen Extremismu­s. In der Provinzsta­dt Toropez drohen einem Opposition­ellen zwei Jahre Gefängnis, weil er im Sozialnetz Vkontakte ein Putin-Foto mit dem Text gepostet hatte, die „Hauptkreml­ratte flachzuleg­en“. Nach den Anti-Putin-Demonstrat­ionen am 5. Mai wurden der Opposition­spolitiker Alexei Nawalny, sein Stabschef, seine Pressespre­cherin, einer seiner Juristen sowie andere enge Mitarbeite­r und Regionalko­ordinatore­n zu mehrwöchig­en Arresten verurteilt. Schon während der Kundgebung­en waren mehr als 1600 Menschen festgenomm­en worden. In Moskau kamen auch Schläger in Kosakenuni­formen zum Einsatz, die mit Peitschen auf die Demonstran­ten losgingen.

In Sankt Petersburg aber wurde vor Kurzem das Schauspiel „Folter“des Moskauer Theaters teatra.doc abgesagt, nach Aussage der Regisseuri­n Sarema Saudinowa nach einem Anruf des FSB. „Während der Weltmeiste­rschaft“, sagt der Politologe Gleb Pawlowski, „soll Ruhe herrschen.“

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BILD: SN/APA/AFP Russlands Präsident Putin ließ im Vorfeld der Fußball-WM viele Systemkrit­iker auf freien Fuß setzen – um den Schein zu wahren.

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