Macrons „Aquarius“-Kritik lässt die Wogen in Rom hochgehen
Italiens Innenminister Matteo Salvini präsentiert sich als der starke Mann in Italiens Regierung.
BRÜSSEL. Italiens neuer Innenminister Matteo Salvini, Chef der stramm rechten und fremdenfeindlichen Regierungspartei Lega, hat dem Rettungsschiff „Aquarius“mit mehr als 600 geretteten Flüchtlingen an Bord das Anlaufen eines italienischen Hafens verweigert. Gleichzeitig machte allerdings sehr wohl ein Schiff der italienischen Küstenwache fest, das mehr als 900 Migranten an Land ließ, die bei sieben Einsätzen aus dem Meer gefischt worden waren. Salvini reagierte ungewöhnlich hart auf die Kritik von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, der die Entscheidung, die „Aquarius“weiterzuschicken, zynisch und verantwortungslos genannt hatte. Das Außenministerium bestellte am Mittwoch den französischen Botschafter in Rom ein, außerdem ließ der neue Wirtschaftsminister Giovanni Tria ein Treffen mit seinem französischen Kollegen Bruno Le Maire am Mittwoch in Paris platzen.
„Unsere Geschichte der Solidarität verdient nicht, von Mitgliedern der französischen Regierung heruntergemacht zu werden“, sagte Salvini. Sollte die französische Regierung nicht „so schnell wie möglich eine offizielle Entschuldigung“vorlegen, werde Regierungschef Giuseppe Conte nicht zu dem für Freitag geplanten Treffen mit Macron kommen. Conte selbst betonte, Italien könne keine scheinheiligen Lehren von Ländern akzeptieren, „die es immer bevorzugt haben, sich abzuwenden, wenn es um Immigration geht“. Paris versuchte einzulenken. „Wir sind uns vollkommen der Belastung bewusst, die der Migrationsdruck für Italien bedeutet“, betonte die Sprecherin des Außenministeriums.
Die Regierung in Rom wird laut Salvini ihre Haltung nicht ändern: „Schiffe, die ausländischen Organisationen gehören und unter fremder Flagge unterwegs sind, können nicht die italienische Einwanderungspolitik diktieren.“Was das bedeute, lasse sich noch nicht einschätzen, heißt es bei SOS Méditerranée, der Hilfsorganisation, die gemeinsam mit Ärzte ohne Grenzen die „Aquarius“unter der Flagge von Gibraltar betreibt. Lange Seereisen zu weit entfernten Häfen belasteten nicht nur die Geretteten, sondern auch das Budget, das sich vor allem aus Spenden finanziere, erklärte Sprecherin Jana Ciernioch:. „Wir möchten weiter retten, weil wir wissen, dass es notwendig ist.“
Bereits im Sommer 2017 hatte Italien mit einer Hafensperre für Rettungsschiffe von NGOs gedroht. Der Streit war mit einem Verhaltenskodex gelöst worden. Unter anderem sollten auch die Flaggenstaaten stärker involviert werden. Verändert habe sich dadurch nichts, sagt Ciernioch; es sei damals nur um eine innenpolitische Botschaft gegangen.
Derzeit sind vier Hilfsorganisationen mit je einem Schiff im Bereich der zentralen Mittelmeerroute unterwegs. Die Rettung der Migranten werden laut Seerecht von der Seenotleitstelle in Rom koordiniert. Ebenfalls laut Seerecht müssen Schiffbrüchige im nächsten Hafen an Land gehen können.
Neuauflage des Streits von Sommer 2017?