25 Jahre Haft für Schlepper
71 Flüchtlinge, darunter vier Kinder, erstickten 2015 qualvoll. Ihre Leichen wurden in einem Kühl-Lkw auf der A4 im Burgenland entdeckt. Nun endete der 650.000 Euro teure Prozess.
71 Flüchtlinge, darunter vier Kinder, erstickten 2015 qualvoll in einem Klein-Lkw. Nun wurden in Ungarn die Verantwortlichen verurteilt.
Das Schicksal von 71 erstickten Menschen war im August 2015, auf dem Höhepunkt der Flüchtlingswelle am Balkan, um die Welt gegangen: Ein Kühl-Lkw war für sie zur Todesfalle geworden. Mit Haftstrafen von je 25 Jahren für die vier Hauptangeklagten ist nun am Donnerstag der Prozess gegen jene Schlepperbande zu Ende gegangen, die für den Tod der Flüchtlinge verantwortlich gemacht wird. Das Gericht in der südungarischen Stadt Kecskemét blieb damit unter den von der Staatsanwaltschaft geforderten lebenslangen Haftstrafen für die Erstangeklagten.
Bei den vier Männern – einem Afghanen und drei Bulgaren – handelt es sich nach Erkenntnissen der Anklagebehörde um den Kopf der Schlepperbande, seinen Stellvertreter sowie den Fahrer des Kühl-Lastwagens, in dem die Menschen erstickten, und um den Lenker des Begleitautos. In dem hermetisch verschlossenen Klein-Lkw hatten die Flüchtlinge unterwegs durch Schreien und Klopfen auf ihre Notsituation auf den ihnen zur Verfügung stehenden 14,26 Quadratmetern aufmerksam gemacht. Der Fahrer bemerkte es zwar, hielt aber nicht an.
Die Menschen aus Syrien, dem Irak und Afghanistan starben am 26. August 2015 noch auf ungarischem Gebiet. Es handelte sich um 59 Männer, acht Frauen und vier Kinder. Das jüngste Kind, ein Mädchen, war vier Jahre alt, drei Buben waren im Alter von acht bis zehn Jahren. Die Leichen wurden tags darauf in einer Pannenbucht der A4 (Ostautobahn) bei Parndorf im Burgenland entdeckt. Die Obduktion ergab, dass die Menschen auf dem Weg von der ungarisch-serbischen Grenze nach Österreich nach spätestens drei Stunden qualvoll erstickt waren.
Die ersten Festnahmen erfolgten wenige Tage später. Angeklagt wurden 14 mutmaßliche Mitglieder der Schlepperbande, unter ihnen Fahrer, Anwerber von Chauffeuren und Leute, die Autos für die Schlepperfahrten organisiert hatten. Der Prozess in Kecskemét begann am 21. Juni 2017. Vor Gericht standen in dem Verfahren nur elf Beschuldigte. Drei weitere Angeklagte waren für die Justiz nicht greifbar, gegen sie wurde in Abwesenheit verhandelt.
Sämtliche Angeklagte wurden zu Haftstrafen verurteilt. Neben den 25 Jahren für die Hauptangeklagten – zu verbüßen unter verschärften Bedingungen – setzte es Freiheitsstrafen im Ausmaß von drei bis zwölf Jahren für die weiteren Beschuldigten. Der Staatsanwalt hatte für die Hauptangeklagten lebenslänglich beantragt, für drei von ihnen sogar ohne die Möglichkeit einer vorzeitigen Entlassung. Sein Argument: „Die Angeklagten konnten die Folgen ihres Tuns absehen, haben sich aber damit abgefunden und Gleichgültigkeit an den Tag gelegt“, erklärte er in seinem Schlussplädoyer. Die Urteile sind nicht rechtskräftig.
Nach deren Verkündung hat sich auch der damalige Landespolizeidirektor, spätere Verteidigungsminister und nunmehrige Landesrat im Burgenland, Hans Peter Doskozil (SPÖ), zu den Strafen geäußert: „Ich hätte mir an und für sich schon bei so einem Verbrechen die Höchststrafe erwartet“, sagte er. Auswirkungen auf das Schlepperwesen wird das Urteil seiner Einschätzung nach nicht haben, eine abschreckende Wirkung erwartet er ebenso wenig. „Das würde man sich wünschen aufgrund der Grundsatzidee und des Grundsatzzugangs vom generalpräventiven Ansatz, aber ich glaube es nicht.“
Eine Konsequenz aus dem Drama im Burgenland nennt Oberst Gerald Tatzgern, Leiter der Zentralstelle zur Bekämpfung der Schlepperei und des Menschenhandels im Bundeskriminalamt: die Gründung des Joint Operational Office mit Sitz in Wien samt der Implementierung muttersprachlicher Ermittler. „Über 200 Verhaftungen hat es seit dem Frühjahr 2016 gegeben, der Informationsfluss wurde rascher“, so Tatzgern.
„Ich hätte mir bei so einem Verbrechen schon die Höchststrafe erwartet.“