In Thomas Manns Villa hält neuer Geist Einzug
Eine Kaufsumme von 13 Millionen Dollar bewahrte das Haus des Autors im Exil vor dem Abriss.
LOS ANGELES. Für Thomas Mann war es das Haus der „Seven Palms“: Von Zitronenhainen und Palmen umgeben, fand der Schriftsteller nach der Emigration aus NaziDeutschland in Los Angeles für sich und seine Familie eine Exil-Heimat. Jetzt soll das zweistöckige weiße Haus an der Adresse 1550 San Remo Drive im vornehmen Riviera-Viertel neue Gäste beherbergen. Zur offiziellen Einweihung des „Thomas Mann House“reist am Montag sogar der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier an. 2006 war er – damals noch als Außenminister – maßgeblich an der Entscheidung beteiligt gewesen, dass die deutsche Bundesregierung die Villa erwarb. Nun soll das „Weiße Haus des Exils“, wie Steinmeier es damals nannte, Intellektuellen Gelegenheit zum Austausch mit dem Gastland über die großen Fragen unserer Zeit bieten.
Der Kaufpreis – Deutschland zahlte einem kalifornischen Luxusmakler rund 13 Millionen Dollar für die Immobilie – sei „überhaupt nichts für diese Gegend“, sagte die Architekturhistorikerin Lilian Pfaff kürzlich. Das Grundstück allein sei schon so viel wert. Pfaff schreibt ein Buch über den deutschstämmigen Architekten Julius Ralph Davidson (1889-1977), einen der Hauptvertreter der kalifornischen Moderne, der das Haus 1942 für Mann baute.
Nach den Manns, die 1952 in die Schweiz zogen, lebten hier über 60 Jahre der kalifornische Anwalt Chet Lappen und seine Frau Jon. Das kulturelle Erbe ihrer Immobilie war ihnen bewusst, unter Denkmalschutz stand das Haus nicht.
2016 wurde es von Immobilienmaklern vor allem wegen der exklusiven Lage angepriesen: Der künftige Besitzer könne das alte Haus abreißen und ein Traumanwesen errichten, so die Empfehlung. Autoren, Verleger und Künstler in Deutschland liefen Sturm. Mit einer Onlinepetition forderten sie Deutschland auf, das Haus zu kaufen und zu einem Begegnungsort auszubauen.
Als erster Stipendiat zieht nun noch im Juni der Schauspieler Burghart Klaußner („Das weiße Band“) ein. Ihm folgen die Berliner Soziologin Jutta Allmendinger, der Thomas-Mann-Forscher Heinrich Detering und der Mikroelektroniker Yiannos Manoli. Mit fünf Millionen Dollar wurden die Renovierungsarbeiten am Haus beziffert. Alles wurde von Grund auf saniert. Der Grundriss blieb erhalten, doch vom alten Innenausbau ist nicht mehr viel übrig. Bis auf das historische Herzstück im Erdgeschoss – Manns früheres Arbeitszimmer, in dem der Literaturnobelpreisträger Werke wie „Joseph, der Ernährer“und den Musikerroman „Doktor Faustus“schrieb. In diesem Büro erarbeitete der Hitler-Gegner in den Kriegsjahren auch seine BBC-Radioansprachen „Deutsche Hörer!“.
Laute Empfänge und viele Gäste am San Remo Drive? Das waren anfangs ihre Bedenken, erzählt Shirley, die neben der Mann-Villa wohnt. Doch diese Sorge hätten die Betreiber ausgeräumt. Die Nachbarn seien jetzt froh, dass das alte Haus erhalten werde. „Sonst hätte das ein Bauunternehmer kaufen können, alles abreißen und drei monströse Villen hinstellen können.“