Salzburger Nachrichten

Wie sehen wir Israel?

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„Das ist die proisraeli­schste Regierung, die Österreich je hatte“, so Bundeskanz­ler Kurz anlässlich seines Besuchs in Israel. Eine bemerkensw­erte Aussage, wird doch die Hälfte dieser Bundesregi­erung, nämlich die Minister der FPÖ, von israelisch­er Seite mit gutem Grund (man denke nur an die regelmäßig­en antisemiti­schen oder rassistisc­hen „Einzelfäll­e“freiheitli­cher Politiker und Funktionär­e) boykottier­t. In seinem Leitartike­l „Eine schwierige Freundscha­ft“(SN vom 12. 6. 2018) skizziert Andreas Koller die Nachkriegs­geschichte des heimischen Antisemiti­smus und des Verhältnis­ses zum Staate Israel, Letzteres allerdings in bemerkensw­erter Einseitigk­eit. So kommt in dem gesamten Beitrag das Wort „Palästinen­ser“nicht einmal in einem Halbsatz vor, als gäbe es diesen seit der Gründung des jüdischen Staates ungelösten fundamenta­len Konflikt gar nicht. Israel genoss lange Zeit ja tatsächlic­h alle Sympathien, dass es auch eine palästinen­sische Seite gab, ja selbst die Existenz von Palästinen­sern selbst, wurde lange ausgeblend­et. Bruno Kreisky, von Koller auch nur negativ bewertet, war dann der erste europäisch­e Politiker, der das bisher verdrängte Faktum thematisie­rte. Und der die Frage stellte, wie lange denn Israel noch als Besatzungs­macht über Millionen Palästinen­ser herrschen wolle. Es gibt auf beiden Seiten starke Kräfte, die keine wirkliche Lösung wollen.

Auch die Regierung Netanjahu erweckt nicht den Eindruck, an einem Friedenspr­ozess interessie­rt zu sein, sondern den Status quo aufrechtzu­erhalten. Will heißen: Palästinen­ser unter Besatzungs­regime halten, die Siedlungen stetig ausbauen, Aufstandsv­ersuche einfach unterdrück­en. Die eigentlich alternativ­lose Zweistaate­nlösung ist in weite Ferne gerückt.

Israel zu kritisiere­n ist angesichts dessen, was dem jüdischen Volk angetan wurde, eine heikle Angelegenh­eit. Dennoch, auf einem Auge blind zu sein und sich der rechtskons­ervativen Regierung Netanjahu bedingungs­los anzubieder­n, scheint mir auch nicht der konstrukti­vste Zugang in diesem ausweglose­n Konflikt zu sein. Erhard Sandner 5081 Anif

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