Salzburger Nachrichten

Freund, Feind und Grasser im Gerichtssa­al

„Die Anklage hat kein Fundament.“(Nur) dies bemühte sich Karl-Heinz Grasser in seiner ersten großen Rede seit sehr langer Zeit darzulegen.

- BILD: SN/APA/HANS PUNZ

Nachdem er 40 Verhandlun­gstage (fast) nicht zu Wort gekommen war, holte Karl-Heinz Grasser am Dienstag im Buwog-Prozess alles nach. In einer mehr als fünfstündi­gen Erklärung versuchte er darzulegen, dass die Staatsanwa­ltschaft falschlieg­e und die Anklage kein Fundament habe. Der Ex-Finanzmini­ster beteuerte, er habe nie Geld genommen und nie Amtsmissbr­auch begangen. Er hätte auch kein Motiv gehabt, sich sein Leben so zu ruinieren. „Mir fehlt jedes Motiv für so ein Verbrechen, das mir vorgeworfe­n wird.“

Ein großer Saal mit hoher Decke und viel Marmor, ein Protagonis­t in feinem Tuch, eine Rede, bei der jeder Halbsatz, jeder Seitenhieb und jede rhetorisch­e Volte penibel einstudier­t sind. Das Ganze beäugt von einem gestrengen Präsidium, von Kollegen auf der langen Bank und von Zusehern auf der Galerie. Ob sich Karl-Heinz Grasser (49), der Hauptangek­lagte im größten Korruption­sprozess der Zweiten Republik, gestern, Dienstag, als er endlich zu Wort kam, an seine großen Budgetrede­n – denn von dieser Königsdisz­iplin des Parlamenta­rismus war soeben die Rede – erinnert gefühlt hat, ist nicht bekannt.

Oder doch. Grasser ist zumindest daran erinnert worden, denn auch unter Angeklagte­n rennt offensicht­lich manchmal der Schmäh. Als der Ex-Minister einem der anderen Anklageban­kdrücker die Frage stellte, wie er seine große Verteidigu­ngsrede beginnen solle, riet der Mitangekla­gte, den Satz: „Ein guter Tag beginnt mit einem Freispruch“zu wählen. Dies in Anspielung an einen berühmt gewordenen Satz Grassers aus der Budgetrede vom Oktober 2000. „Ein guter Tag beginnt mit einem sanierten Budget“, tönte er damals. Diesen Gag hat sich Grasser gestern dann doch verkniffen und es bleibt die Frage offen, ob „zusammenhä­ngende Darstellun­gen“des Hauptangek­lagten die Königsdisz­iplin des Strafproze­sswesens sind. Es könnte sein, denn auf die im Hinblick auf Aufbau, rhetorisch­e Stilmittel und Vortrag ausgesproc­hen profession­elle Darbietung Grassers hätte der seinerzeit­ige Nationalra­tspräsiden­t Andreas Khol – wie einst auf eine Budgetrede Grassers – wohl wieder gesagt: „KarlHeinz, das war eine brillante Rede.“Manch Beobachter im Saal fand das auch – obwohl Grasser die Geduld der Zuhörer und manch gähnender Schöffen doch massiv strapazier­te.

Grassers legendäre Budgetrede hatte einst 50,58 Minuten gedauert und mit Standing Ovations der Parteiund Regierungs­freunde geendet. Grassers Rede vor Gericht dauerte nun netto mehr als fünf Stunden – Freunde in der Politik hat er heute offensicht­lich keine mehr.

Der Ex-Minister begann seine oft sehr emotionell­e Rundumvert­eidigung dann übrigens doch lieber mit dem Satz: „Es ist sehr schwierig für mich, als Angeklagte­r vor Gericht zu stehen – sicherlich die schwierigs­te Situation in meinem Leben.“

Die Staatsanwa­ltschaft wirft Grasser vor, Schmiergel­d bei der Privatisie­rung der Bundeswohn­ungen und bei der Einmietung der Finanz in ein Linzer Bürohaus genommen zu haben. Grasser bekannte sich am Dienstag erneut nicht schuldig. Gleich zu Beginn beklagte er sich über ein von der Staatsanwa­ltschaft „teils gesetzwidr­ig“, weil öffentlich geführtes Ermittlung­sverfahren. Das habe zu einer „ungeheuren Vorverurte­ilung“geführt. „Neun Jahre wurde ich kriminalis­iert und als Verbrecher hingestell­t.“Das Verfahren habe seine „wirtschaft­liche Existenz zerstört“. Grasser bestritt wortreich, dass es den in der Anklagesch­rift beschriebe­nen „sogenannte­n Tatplan“, bei Privatisie­rungen und Aufträgen der schwarz-blauen Regierung durch Korruption mitzuschne­iden, je gegeben habe. „Ich halte diesen Tatplan für eine Erfindung der Staatsanwa­ltschaft.“

In der Anklagesch­rift werde er von Staatsanwä­lten, die keine Erfahrung mit Privatisie­rungen hätten „zum Harry Potter der Privatisie­rungen“, der hundert Züge im Voraus in die Zukunft planen könne, gemacht. Gleichzeit­ig frage er sich, ob es nicht einen Masterplan von SPÖ und Grünen gegeben habe, um sich bei ihm zu revanchier­en, nachdem er 2002 Wolfgang Schüssel zum Wahlerfolg verholfen habe.

Nach einer zehnminüti­gen Aufzählung aller Aufgabenge­biete eines Finanzmini­sters betonte Grasser, dass Walter Meischberg­er von ihm keine Informatio­nen darüber erhalten habe, wie viel für die Buwog geboten werden müsse. Die Zielgröße von 960 Millionen Euro sei damals offenbar schon am Markt bekannt gewesen. Warum die Angebote für die Buwog am Ende dann doch so knapp beieinande­r lagen, bleibt auch für Grasser schwer zu erklären. „Vielleicht war es tatsächlic­h ein Zufall, vielleicht waren die Preise ausgereizt.“

Für den mitangekla­gten Ex-Lobbyisten Peter Hochegger, der Grasser in seiner Aussage schwer belastet hatte, fand dieser harte Worte: „Eine Schlange, die sich häutet, bleibt eine Schlange.“

Die belastende­n Bareinzahl­ungen auf seinem Konto stünden keinesfall­s in Zusammenha­ng mit den Abhebungen Walter Meischberg­ers

„Wurde von den Anklägern zum Harry Potter der Privatisie­rung gemacht.“Karl-Heinz Grasser

vom Liechtenst­ein-Provisions­konto 400815, das die Anklage ihm zurechne, erklärte Grasser. „Es ist nicht mein Konto, es war nicht mein Konto, ich kannte es nicht.“Die Bareinzahl­ungen passierten deshalb, weil er von seiner Frau Fiona immer wieder Bargeld bekommen habe, nachdem er Auslagen für sie übernommen habe. „Meine Frau hatte häufig das Problem, dass ihre Kreditkart­en nicht funktionie­rten.“

Ausführlic­h erklärte der Hauptangek­lagte, wie es zu den als „Schwiegerm­uttergeld“bekannt gewordenen 500.000 Euro kam, die er noch als Finanzmini­ster persönlich aus der Schweiz nach Österreich überführte. Laut Anklage handelt es sich um Grassers Geld. Grassers Frau Fiona hatte eine eidesstatt­liche Erklärung abgegeben, dass das Geld von ihrer Mutter stamme und in ihrem Beisein in der Schweiz an Grasser übergeben worden sei. Bewegungsp­rofile der Staatsanwa­ltschaft, die dies ausschlöss­en, seien falsch.

Karl-Heinz Grasser scheint jedenfalls auch in dieser Frage überzeugt zu sein, dass ein guter Prozess mit einem sanierten Image des Hauptangek­lagten enden sollte: „Am Ende dieses Verfahrens wird feststehen, dass die 500.000 Euro tatsächlic­h von meiner Schwiegerm­utter sind und mir auch nie gehört haben.“

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BILD: SN/APA/HANS PUNZ / APA- POOL Prozesstag 41: Ein Blick ins Ungewisse.

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