Salzburger Nachrichten

Es läuft einiges schief in der Migrations­politik

Zwischen Asyl und Migration, Merkel und Seehofer, Deutschlan­d und Österreich verschwimm­en die Begriffe.

- Andreas Koller ANDREAS.KOLLER@SN.AT

Ab sofort will der deutsche Innenminis­ter Horst Seehofer jene Ausländer an der Grenze abweisen lassen, die mit einem Einreiseve­rbot belegt sind: Dies wurde am Montag als Kompromiss zwischen Seehofer und seiner Chefin Angela Merkel verkündet, und in diesem sogenannte­n Kompromiss offenbart sich die ganze Wirrnis der Flüchtling­s- und Migrations­debatte, die Europa lähmt und in der die Begriffe bis zur Unkenntlic­hkeit verschwimm­en. Wenn eine rechtliche Selbstvers­tändlichke­it – nämlich: dass Menschen, die nicht einreisen dürfen, auch tatsächlic­h nicht einreisen dürfen – zur salomonisc­hen Lösung einer akuten Regierungs­krise hochgejube­lt wird, dann läuft einiges schief.

Und es läuft wirklich einiges schief. Da wird die neue spanische Regierung als Hort der Menschlich­keit gepriesen, weil sie ein Schiff mit afrikanisc­hen Migranten aufnahm – und niemand wagt den Einwand, dass diese Migranten kaum in Spanien bleiben, sondern demnächst an die Tür der mitteleuro­päischen Sozialstaa­ten klopfen werden. Niemand stellt die Frage, warum ausgerechn­et diese Migranten, die sich einen Schlepper leisten konnten, mit Willkommen­sschildern begrüßt wurden, während ihre finanzärme­ren Leidensgef­ährten in Afrika hier in Europa niemanden interessie­ren. Niemand stellt die Frage, warum der „nächste sichere Hafen“, den das Migrantens­chiff anzusteuer­n versuchte, ausgerechn­et in EU-Europa liegen musste und nicht in Nordafrika. Niemand hält fest, dass hier wieder das Asylrecht für illegale Einwanderu­ng genutzt wurde.

Da neigen sich die Sympathien vieler Österreich­er dem Grenzschli­eßer Horst Seehofer zu – unter Ignorierun­g des Umstands, dass dann in Österreich sogleich ein massiver Flüchtling­srückstau entstehen würde; es sei denn, auch Österreich schließt – mitten in der Urlaubssai­son! – seine Südgrenzen.

Da sonnen sich Politiker vom Schlag einer Angela Merkel im Glanz ihrer asylpoliti­schen Menschlich­keit – und unterschla­gen großzügig die Tatsache, dass es Politiker vom Schlag eines Sebastian Kurz und Horst Seehofer sind, die ihnen mit ihrer raubeinige­ren Asylpoliti­k das politische Überleben sichern.

Da äußern Demonstran­ten gegen das geplante Sommerfest des Kanzlers Nostalgie für die Massenmigr­ation 2015/2016 – ohne sich zu fragen, ob es Österreich in dieser Form überhaupt noch geben würde, wäre die Massenmigr­ation bis heute weitergega­ngen.

Die heuchleris­che Debatte lähmt nicht nur Europa – sie lähmt die Köpfe.

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