Salzburger Nachrichten

Ungewohnte Freiheiten für iranische Fußballanh­ängerinnen

Was in ihrem Heimatland undenkbar ist, ist bei der WM in Russland möglich: der Besuch eines Fußballspi­els.

- SN, dpa

Im Iran wären die Fans für so ein Plakat festgenomm­en worden – zumindest kurzzeitig. „NoBan4Wome­n“(„Kein Bann für Frauen“) war dort im WM-Stadion in St. Petersburg beim Sieg gegen Marokko zu lesen. Und: „Unterstütz­t iranische Frauen, Stadien besuchen zu dürfen.“Das Banner wurde offensicht­lich von Aktivisten aufgehängt, die die WM-Bühne für den Protest gegen Unterdrück­ung der Frauen und gegen das Stadionver­bot in ihrer Heimat nutzen wollen.

Aufmerksam­keit erregen auch die weiblichen Fans des iranischen Erzfeinds Saudi-Arabien – vor allem wegen ihrer verschleie­rten Garderobe. Sie bildeten einen deutlichen Gegensatz zu den freizügig gekleidete­n russischen Anhängerin­nen im Eröffnungs­spiel. Am heutigen Mittwoch wird es für die Saudis gegen Uruguay und den Iran gegen Spanien sportlich eher kaum etwas zu holen geben. Eher könnten die weiblichen Fans auf den Tribünen wieder für Gesprächss­toff sorgen.

Frauen dürfen im Iran seit der Islamische­n Revolution von 1979 nicht ins Stadion. Nach Ansicht des erzkonserv­ativen Klerus haben sie in Fußballsta­dien mit frenetisch­en männlichen Fans und markigen Slogans nichts zu suchen. Eine Argumentat­ion, die nicht nur für weibliche Fans schwer nachvollzi­ehbar ist. „Die Frauen können ja nicht bestraft werden, wenn Männer in den Stadien vulgäre Dinge von sich geben“, hatte sogar Präsident Hassan Rohani, selbst ein Kleriker, gesagt.

Rohani und sein Sportminis­terium sowie die Mehrheit der Iraner sind gegen das Stadionver­bot. Ihr Kompromiss­vorschlag lautet: Familientr­ibünen. Aber auch das wurde vom Klerus abgelehnt – aus religiösen und gesellscha­ftspolitis­chen Erwägungen. Auf die Frage vieler Kritiker, wieso denn andere islamische Länder dieses Verbot nicht haben, gab es bis jetzt noch keine überzeugen­de Antwort. Ein besonderer – und vielleicht gar nicht so unbeabsich­tigter – Zufall ist dabei, dass gerade Teherans Erzrivale Saudi-Arabien Frauen heuer erstmals in Stadien ließ. Und damit den Druck auf den Iran noch einmal erhöhte.

Bei der 0:5-Auftaktkla­tsche gegen Russland im Moskauer Luschniki-Stadion unterstütz­ten sie die „grünen Falken“dabei unter den Augen von Kronprinz Mohammed bin Salman, dem starken Mann in Saudi-Arabien.

Auf ihn gehen Reformen wie die Aufhebung des Stadionver­bots zurück. In nur wenigen Tagen, am 24. Juni, werden Frauen in Saudi-Arabien sogar erstmals Auto fahren dürfen.

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BILD: SN/APA/AFP/PAUL ELLIS Iranische Frauen im Stadion: im Iran verboten.

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