EU sucht verzweifelt Ausweg aus der Flüchtlingskrise
Das Asylthema entzweit Europa: Österreich verbündet sich mit der CSU gegen Angela Merkel. Die EU-Kommission will an „europäischen Lösungen arbeiten“.
Mit einem „Minigipfel“, veranstaltet am kommenden Sonntag, versucht die EU-Kommission, einerseits eine einheitliche Linie in die europäische Migrationspolitik zu bringen und andererseits die Kanzlerschaft Angela Merkels zu retten. Denn in Berlin vertieft sich zunehmend die Kluft zwischen den Regierungspartnern CSU, die für eine strenge Asylpolitik eintritt, und Merkels CDU, die die bisherige liberale Politik beibehalten möchte. In diesen Streit mischt sich auch der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz ein. Er lud gestern die bayerische Landesregierung zu einer gemeinsame Sitzung mit der österreichischen Bundesregierung in Linz. Dort betonten Kurz und sein bayerischer Kollege Markus Söder (CSU) ihre gemeinsame Linie in Asyl- und Migrationsfragen. Beim geplanten „Minigipfel“in Brüssel am Sonntag geht es nach Kommissionsangaben darum, „mit einer Gruppe von Staats- und Regierungschefs interessierter Mitgliedsstaaten im Vorfeld des anstehenden Europäischen Rats an europäischen Lösungen zu arbeiten“. Eingeladen sind Deutschland, Frankreich Spanien, Italien, Griechenland, Bulgarien und Österreich. Wie berichtet, will Deutschlands Kanzlerin Merkel eine europäische Lösung der Asylfrage, während ihr Regierungspartner CSU für einen nationalen Alleingang und verschärfte Grenzkontrollen plädiert.
LINZ, BERLIN. Es war wohl ein bewusst gesetztes Signal. Mitten im Streit zwischen CDU und CSU über den künftigen Kurs der deutschen Bundesregierung in der Asylpolitik und wenige Tage vor Beginn der österreichischen EU-Präsidentschaft lud Bundeskanzler Sebastian Kurz die bayerische Landesregierung zu einer gemeinsamen österreichischbayerischen Regierungssitzung nach Linz ein. Was in Berlin nicht unbeachtet blieb. „Söder und Spahn himmeln den ,jungen Metternich‘ Sebastian Kurz an“, twitterte der SPD-Bundestagsabgeordnete Karl Lauterbach in Anspielung auf den bayerischen Regierungschef Markus Söder und den deutschen Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU), der als junger und konservativer Gegenspieler von Bundeskanzlerin Angela Merkel gilt.
Kurz machte denn auch keinen Hehl daraus, was er von der Flüchtlingspolitik der deutschen Regierungschefin hält. Diejenigen, die damals die Grenzen geöffnet hätten, „haben es verschuldet, dass es heute Grenzkontrollen gibt zwischen Österreich und Bayern, Ungarn und Österreich, Italien und Österreich, und die Situation vielleicht noch schlimmer wird“, sagte der Kanzler vor seinem Treffen mit Söder. Damit gemeint: seine Kollegin Angela Merkel und sein Vorvorgänger Werner Faymann, deren Willkommenspolitik den Migrantenstrom nach Mitteleuropa ausgelöst habe.
Bei ihrem gemeinsamen Auftritt nach der Regierungssitzung demonstrierten Söder und Kurz Einigkeit in Asylfragen. Allfällige Streitpunkte, etwa die Transitfrage oder der Streit um die Starts und Landungen auf dem Salzburger Flughafen, blieben ausgespart.
Von Entspannung kann zwischen CDU und CSU indes keine Rede sein. Der deutsche Innenminister Horst Seehofer (CSU) droht bei Rückweisungen von in anderen Ländern bereits registrierten Flüchtlingen seit einer Woche mit einem Alleingang. Nun hat Bayerns Ministerpräsident Söder (CSU) eine zweite Front eröffnet. Er lehnt den zwischen Merkel und dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron am Dienstag abgestimmten Plan zur Einrichtung eines Eurozonen-Budgets ab und untermauert damit einmal mehr die europaskeptische Haltung seiner Partei. „Wir können nicht zusätzliche Schattenhaushalte auf den Weg bringen oder versuchen, die Stabilität der Währung aufzuweichen. Oder gar am Ende mit deutschen Zahlungen versuchen, irgendwelche Lösungen zu erreichen“, sagte er.
Beim Koalitionspartner SPD ist man einerseits froh, dass der Schwarze Peter derzeit bei der Union liegt. Andererseits fürchtet man, in der Frage der Flüchtlingspolitik übergangen zu werden. Dummerweise besteht in dieser Frage allerdings keine Einigkeit. Bei der Parteilinken finden sich viele Anhänger der Willkommenskultur, während auf dem rechten Flügel Verständnis für ein strikteres Vorgehen an der Grenze herrscht. Parteichefin Andrea Nahles hatte für den Satz „Wir können nicht alle aufnehmen“sowohl Lob als auch Kritik eingeheimst. Ihre Aufgabe ist es nun, eine eindeutige Aussage zu finden. Denn die unklare Positionierung in dieser Frage war mit schuld am schlechten Abschneiden bei der letzten Bundestagswahl.
Laut Umfragen sind 62 Prozent der Deutschen für den strengen Asylkurs der CSU. Relativiert wird dies durch den Wunsch von 50 Prozent nach einer EU-Lösung.