Ötzi konnte seine Werkzeuge nicht mehr reparieren
Südtiroler Archäologen haben die Feuersteinausrüstung des Mannes aus dem Eis untersucht.
Ötzis letzte Lebenstage waren wohl von Flucht und Verfolgung geprägt, da der Mann aus dem Eis seine Werkzeuge nicht mehr reparieren und seine Pfeilspitzen nicht mehr ergänzen konnte. Das hat ein Forscherteam um die Südtiroler Archäologin Ursula Wierer bei Untersuchungen von Ötzis Feuersteinwerkzeug (Silex) festgestellt.
Der Mann aus dem Eis habe auf seinem Weg auf das 3210 Meter hoch gelegene Tisenjoch eine kompakte Feuersteinausrüstung dabeigehabt, teilte das Südtiroler Archäologiemuseum mit. Dazu gehörten ein Dolch mit sehr kurzer Klinge und abgebrochener Spitze sowie zwei Pfeilspitzen. In der Gürteltasche fanden sich ein Kratzer und ein Bohrer, beide stark abgearbeitet, sowie ein kleiner Feuersteinabschlag und der weltweit einzigartige Retoucheur zum Bearbeiten des Feuersteins. Obwohl Ötzi kein professioneller Feuersteinschläger war, sei er sehr wohl in der Lage gewesen, mit seinem Retoucheur seine Werkzeuge nachzuschärfen, sagen die Wissenschafter. Offensichtlich hatte Ötzi aber seit geraumer Zeit vor seinem Tod keinen Zugang zu neuem Silexmaterial mehr.
Die Gebrauchsspuren am Kratzer und am Retoucheur weisen zudem darauf hin, dass Ötzi Rechtshänder war. Auch die Herkunft des Feuersteins von Ötzis Artefakten konnte anhand geologischer Vergleiche erstmals im Detail dokumentiert und topografisch eingeordnet werden: Demnach stammt der Silex von fünf der sechs Geräte von der Trienter Plattform, die ein weites Gebiet zwischen Trentino und Veneto umfasst. Die Herkunft einer der Pfeilspitzen konnte sogar auf den Nonsberg im Trentino eingegrenzt werden. Der Feuerstein des Dolchs stammte laut den Forschern jedoch aus dem Abhang zwischen der Trienter Plattform und dem Lombardischen Becken, was dem heutigen westlichen Trentino und der östlichen Lombardei entspricht. Ötzis Gemeinschaft pflegte demzufolge Handelsbeziehungen mit unterschiedlichen, teils weit entfernten Gebieten.
Mit der neuen Untersuchung konnten auch Bearbeitungstechniken aufgezeigt werden, mit denen Ötzi und seine Zeitgenossen Feuersteingeräte herstellten und mittels Drucktechnik immer wieder nachschärften. Fast alle Geräte des Mannes aus dem Eis sind an den Werkzeugkanten stark abgenutzt. An ihnen konnten die Wissenschafter die Arbeitsrichtung und die bearbeiteten Materialien ablesen. Ötzi verwendete seine Geräte demnach vor allem für das Schneiden von Pflanzen, unter anderem von kieselsäurehaltigen Gräsern wie Getreide oder Wildpflanzen.