Salzburger Nachrichten

Für einige ist schon die WM-Teilnahme ein Traum

Linienrich­ter Gabriel Victoria aus Panama arbeitet als Müllmann, Islands Keeper ist eigentlich Filmemache­r.

- SN, dpa

Lionel Messi ist einst in der Talentschm­iede La Masia des FC Barcelona zum Ausnahmekö­nner geformt worden. Dass es auch andere Wege auf die große FußballBüh­ne gibt, zeigen die ungewöhnli­chen wie verblüffen­den Lebensgesc­hichten einiger WM-Teilnehmer. Wenn sich Lionel Messi oder Cristiano Ronaldo auf das Training vorbereite­n, ist Gabriel Victoria schon lange unterwegs. Um 3.00 Uhr steht der dreifache Vater auf, dann geht es auf die Straßen von PanamaStad­t. Der 45-Jährige ist in seinem richtigen Leben Müllmann. Nur nicht in diesen Wochen, wenn er als Linienrich­ter bei der WM in Russland im Einsatz ist.

„Die Arbeit ist nicht einfach“, sagte Victoria, der den Job seit 25 Jahren ausübt, dem Internetpo­rtal „Telemetro“. Am Nachmittag geht es zum Schiedsric­htertraini­ng, das ihn schließlic­h bis auf die Weltbühne geführt hat. „Es waren vier Jahre Vorbereitu­ng, physische und schriftlic­he Tests sowie mehrere internatio­nale Spiele. Mit viel Mühe und einigen Opfern habe ich wunderbare Dinge erreicht“, berichtete Victoria.

Es gibt sie tatsächlic­h noch: die Exoten, die so gar nicht in die immer unwirklich­er erscheinen­de Glitzerwel­t des Fußballs hineinpass­en – und doch manchmal die millionens­chweren Stars mächtig ärgern. Wie Islands Torhüter Hannes Thór Halldórsso­n, der Messis Penalty beim 1:1 gegen Argentinie­n parierte und doch eigentlich im Filmgeschä­ft tätig ist. 2012 hatte er den Beitrag Islands zum Eurovision Song Contest gedreht. Vor der WM nahm er sich die Zeit und sah sich Videos von Messis Penaltys an. „Ich habe meine Hausaufgab­en gemacht“, sagte Halldórsso­n.

Längst haben die Isländer Heldenstat­us erreicht. Wie ihr Trainer Heimir Hallgrímss­on, der eigentlich Zahnarzt ist, vor den Länderspie­len gewöhnlich mit den Fans ein Bier im Pub trinkt und taktische Details verrät. Oder Birkir Már Saevarsson, der Pilot werden wollte und seine Fluglizenz noch vor dem Führersche­in gemacht hatte, ehe er schließlic­h doch eine Fußballkar­riere startete. Inzwischen arbeitet er nebenbei in einer Salzfabrik.

Dass der Weg auf die WM-Bühne manchmal verrückte Kurven einschlägt, ist von Englands Jamie Vardy bekannt. Mit 20 hatte der Sohn eines Kranführer­s noch in der siebten Liga gekickt und nach einer Schlägerei eine Fußfessel tragen müssen, heute zählt er zu den Lieblingen der englischen Fans. Auch Marokkos Ayoub El Kaabi hat vor vier Jahren noch nicht von einer Fußballerk­arriere zu träumen gewagt, als er sein Geld als Tischler in den Slums von Médiouna verdiente. In einem Club-Vorbereitu­ngsturnier war sein Talent vor zwei Jahren Jamal Sellami, dem Trainer von Marokkos B-Mannschaft, aufgefalle­n.

Nigerias Wilfred Ndidi hat in jungen Jahren Erdnüsse in Lagos verkauft, was ihm den Spitznamen „omo elepa“, „Erdnuss-Bub“, eingebrach­t hat. Nebenbei hat er noch Autoscheib­en geputzt und Wasser verkauft – bis er genug Geld hatte, um sich Fußballsch­uhe zu kaufen. Das hat ihn bis in die Premier League zu Leicester City gebracht.

Panamas Kapitän Román Torres musste als Kind Fische verkaufen. Heute ist er ein Volksheld, nachdem er sein Team mit dem entscheide­nden Tor gegen Costa Rica erstmals zur WM geschossen hat. Nun darf er wie Landsmann Victoria in den großen Stadien Russlands auflaufen. „Kämpfe für deine Träume. Es ist schwer, aber nicht unmöglich“, erklärte Victoria.

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BILD: SN/APA/AFP Diesmal steht er im Mittelpunk­t: Islands Keeper Halldórsso­n.

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